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Kreisky fragt das Volk: Wer is stärker, i oder i?

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Es geht eben nichts über eine klare Linie und ein gutes Gedächtnis. Im Jänner dieses (!) Jahres konstatierte Bundeskanzler Kreisky: „Eine Volksabstimmung über die Verwendung der Kernenergie ist ungeeignet, diese Frage, die mit so viel Agitation verbunden ist, zu lösen.“

Als ein halbes Jahr später der sozialistische Parteivorstand - ist er eigentlich das zuständige Gremium? - unter Vorsitz von Kreisky ein Plebiszit über die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf im Herbst beschließt, sagt der gleiche Bundeskanzler: „Ich habe dem Gedanken seit jeher viel Sympathie entgegengebracht.“

Was sagt Nestroys großer Feldherr Holofernes? I möcht amal sehn, wer stärker ist, i oder i.

Josef Taus klopft sich auf die Schulter: In einer TV-Diskussion mit dem Bundeskanzler habe er bereits im März 1977 ein derartiges Plebiszit vorgeschlagen.

Es sei hier nicht untersucht, ob die Atomfrage ein geeignetes Thema für eine Volksbefragung ist, oder ob der im Kampf mit Kreisky unterlegene Kreisky nicht vieUeicht doch recht gehabt hat.

Die Umstände, unter denen der diesbezügUche Beschluß der Regierungspartei in Szene geht, sind jedenfaUs deprimierend: Es handelt sich evidentermaßen um eine Flucht einer sonst so entscheidungsfreudigen Regierung und Regierungspartei aus einer Verantwortung, die ausschließUch sie betrifft. Es ist ein Sieg der Parteitaktik über die staatsmännische Verantwortung.

Wie immer man zur Verwendung der Atomkraft steht: Der Zug ist im FaU von Zwentendorf längst abgefahren. Wenn schon ein Plebiszit, dann kommt es um Jahre zu spät.

Gesetzt den Fall, eine Majorität entscheidet sich gegen das Atomkraftwerk. Was geschieht dann mit der wahrscheinlich teuersten Industrieruine der Welt, in die bereits viele Milliarden verpulvert wurden?

Die Ausrede, das Volk habe entschieden und das Volk habe auch die Konsequenzen zu tragen, ist zu biUig. Bisher hat nämlich nicht das Volk entschieden. Dies haben die Volksvertreter an seiner Stelle getan. Wenn sie sich

- gleichgültig ob schwarz oder rot - auf einmal für derartige Entscheidungen nicht mehr kompetent fühlen, so war der ganze Atomkraftwerkbau bisher ihr Privatvergnügen, das sie gefälligst auch aus eigener Tasche finanzieren soUten und nicht mit Geldern des Steuerzahlers.

SicherUch, solche Gedankengänge sind „unrealistisch“ und entlocken den PoUt-Profis allenfalls ein müdes Lächern, i Aber muß dies wirkUch so sein? Müs sen Poütiker das Recht haben, Steuergelder, welche in immer größerem Ausmaß und mit immer brutaleren Methoden eingetrieben werden, wiUkürüch und nach eigenem Gutdünken hinauszuwerfen - ob dies nun für Donauinseln, Bauringe oder für Atomkraftwerke ist, bei deren Fer-tigsteUung man sich nicht einmal im klaren ist, ob man sie überhaupt in Betrieb nehmen wiU?

Was wir dringend brauchen, ist ein PoUtikerhaftungsgesetz. Wie wäre es mit einem diesbezügUchen Volksbegehren?

Dvch zurück zum Eiertanz um Zwentendorf. Man kann über die Haltung, die die ÖVP gegenüber dem Problem eingenommen hat, verschiedener Meinung sein. Wenn aber der Bundeskanzler in den letzten Wochen immer wieder erklärt hat, die Entscheidung über die Inbetriebnahme - und damit auch die Verantwortung dafür-Uege bei der großen Oppositionspartei, so muß man dies denn doch als Irreführung der öffentUchkeit bezeichnen.

Dank ihrer parlamentarischen Majorität ist die Regierungspartei jederzeit imstande, diesbezügUche Gesetze zu beschließen. Darüber hinaus bedarf es ja im konkreten FaU gar keiner legisti-schen Beschlüsse mehr: Die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks ist ein rein administrativer Akt, für den einzig und aUein die Regierung kompetent ist.

Bei dem ganzen Atomgerangel zwischen den beiden Großparteien geht es doch ausschUeßUch darum, daß die Soziaüsten die Volkspartei unter Druck zu setzen versuchen, um sie zu zwingen, die Verantwortung für die Inbetriebnahme von Zwentendorf mitzuübernehmen - nicht aus prinzi-pieUen, sondern lediglich aus wahltaktischen Gründen, aus Wählerstimmen-Futterneid.

Der Gedanke, daß die große Oppositionspartei aus ihren Nichtengage-ment für das Kernkraftwerk - vielleicht! - ein paar Stimmen von Atomgegnern gewinnen könnte, ist offenbar den soziaUstischen Parteistrategen unerträgUch. Lieber soUen weitere hunderte Milüonen an Steuergeldern sinnlos vergeudet werden (denn jeder Tag Verzögerung bei der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks bringt Mil-Uonenverluste) bevor man der Opposition einige Wählerstimmen überlaßt.

Ganz kann man es schUeßUch und endUch der Volkspartei, deren Kooperationsoffert in Sachen Atom von den SoziaUsten ziemüch arrogant zurückgewiesen worden ist, nicht verübeln, wenn sie nunmehr den Konsens verweigert, sich hinter ihr prinzipieUes Ja zur Atomkraft verschanzt und für den konkreten FaU Zwentendorf, für den sie überhaupt keine KontroUmög-lichkeit gehabt hat, die Mitverantwortung ablehnt.

Ob es sich um die Mitverantwortung der Opposition oder um die Abhaltung eines Plebiszits handelt, es ist in jedem FaU ein Versuch der Regierung, sich von mögücherweise unpopulären Entscheidungen zu drücken.

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