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Ein strahlender Wahlkampf
Nach der Bekanntgabe des Nationalratswahlergebnisses anno 1979 werden wir uns vermutlich mit einigen Stoßseufzern in den Fernsehsessel zurückfallen lassen, um das auszusprechen, was wir uns immer schon gedacht haben: „Es war kein großer Schad’, hätten diese Wahlen und dieser Wahlkampf gar nicht stattgefunden …!“
Nicht, weil durch das vierte und vielleicht letzte Auftreten Kreiskys als Spitzenmann der Sozialisten das Rennen von vornherein völlig klar war, vielmehr weil es nichts weniger politisches (weniger demokratisches?) gibt als einen Wahlkampf unter dem Motto „Wer fürchtet sich vorm atomaren Tod?“.
In einer Gesellschaft, die sich zur demokratischen Meinungsvielfalt bekennt, kann vieles, fast alles, Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sein: Man möchte meinen, daß sachliche Argumente den Ausschlag geben sollten.
Nicht so in Österreich.
Hier zählen Eigenschaften wie „Vernunft“ oder „Sachlichkeit“ zu politischen Ladenhütern, die billige Emotion dagegen feiert fröhliche Urständ.
Allen Österreichern scheint zur Zeit gemeinsam zu sein, daß sie selbstver ständlich die Frage der Sicherheit der Lagerung von Atommüll für eine rein weltanschauliche halten.
Weiter reichen die Gemeinsamkeiten nicht mehr. In der Praxis wird’s dafür erst lustig:
Der typische ÖVP-Funktionär ist gern bereit, jeden Eid zu schwören, daß Bruno Kreisky drauf und dran ist, seine politischen Widersacher im Waldviertel mittels atomarer Müllrationen ins Jenseits zu befördern.
Der typische FPÖ-Funktionär weiß, daß seine Partei aus auf der Hand liegenden, völlig einsichtigen Erwägungen weiterhin vorsichtig, zurückhaltend und mißtrauisch agieren wird. Nicht, weil seine Partei unter möglichst geringem Risiko auf den fahrenden Zug der Sieger des politischen Atomkrieges aufspringen will, oh nein, weil gut Ding eben Weile braucht.
Der typische SPÖ-Funktionär wiederum ist relativ schlecht dran, er weiß, daß seine Partei ein überzeugendes, alle Unklarheiten beseitigendes „ Jein^’ in die Diskussion geworfen hat. Warum? Das ist nicht ganz klar, vermutlich aber hilft ein entschlossenes „Jein“ in dieser Phase wieder einmal, einige Arbeitsplätze zu sichern.
Einen ausgewogenen Überblick hat lediglich der typische Liberale öster reichischer Prägung, der auf Grund seines politischen Naheverhältnisses zu allen herrschenden Strömungen in der Lage ist, sich jeden gewünschten Standpunkt zueigen zu machen.
Die österreichische Volkspartei, die normalerweise den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt, hat im burgenländischen Wahlkampf probeweise den Atommüll zum Nabel ihrer Ideenwelt erklärt. Zwar will Klubchef Koren von einem Atomwahlkampf nichts wissen, doch Josef Taus ist hier anderer Meinung: „Die Volkspartei fordert die Bundesregierung dringend auf, in der Atomfrage die Phase der Ratlosigkeit zu beenden.“ Von Kreisky fordert Taus: „Kreisky muß klar sagen, ob seiner Meinung nach die Sicherheitsfragen bei Atomkraftwerken gelöst sind und er muß für diese Aussage auch persönlich die Verantwortung übernehmen.“
Freilich träumt Taus davon, daß Kreisky den vielzitierten Palme-Tod stirbt, aber sollte er nicht darauf hinarbeiten, daß sein politischer Gegner einmal wegen sachlicher, echter Fehler abtreten muß?
Kreisky erklärte jüngst, er habe nie gedrängt, er habe immer gewußt, daß die Atomfrage eine Frage sei, die die Menschen sehr beschäftigt, die sie aufregt und mit der man ihnen Angst machen kann.
Kreisky hat selbst Angst. Nicht vor Zwentendorf; vor einem Zwentendorf-Wahlkampf. Wenn der politische Tod schon auf ihn wartet, dann will er nicht jämmerlich durch Strahlen zugrundegehen, dann will er aufrecht stehend, mit der Kugel in der Brust, den Heldentod sterben.
Das zu begreifen, müßten politische Reife und Einfühlungsvermögen der Opposition reichen. Oder kann sie sich so wenig in die Rolle der Regierungspartei hineindenken?
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