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Konsens als Hindernis

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Die SPÖ hat'einen sehr klaren Auftrag bekommen, während der nächsten vier Jahre zu regieren und die erforderlichen Maßnahmen - soweit es sich nicht um Verfassungs-Gesetze handelt - zu beschließen. Dies, obwohl die beiden anderen Parlamentsparteien darum geworben haben, der Wähler möge mehrere Parteien gemeinsam betreuen.

Das Wahlergebnis ist also eine klare Absage an diese Zusammenarbeit. Nur der SPÖ wurde für die nächsten vier Jahre die Vollmacht ausgestellt und sonst niemand.

Unter diesen Umständen hörte es sich eher seltsam an, als der Generalsekretär der ÖVP in der ersten Stellungnahme sinngemäß erklärte, man werde jetzt erst recht darangehen, die eigenen Konzepte zu verwirklichen. Wie will er denn?

Meines Erachtens hätten die Oppositionsführer auch die Zusammenarbeitsparole des Bundeskanzlers nicht unwidersprochen hinnehmen dürfen. Sie stellt aus dem Mund eines Mannes, der soeben eine noch größere Vollmacht ausgestellt erhielt als 1975, Zuckerlpapier dar, in das man die Opposition so lange einwickelt, bis nichts mehr herausschaut.

Kreisky selbst hat 1966 in seiner ersten parlamentarischen Rede als Oppositionsführer erklärt, es gehe nun darum, nicht das Gemeinsame, sondern das Trennende herauszustellen. Das ist ja auch logisch. Außer man gibt die Grundidee unserer parlamentarischen Demokratie auf, wonach die politischen Parteien unterschiedliche Lösungen verkörpern (sicher läßt sich auch darüber streiten).

Für das Herausarbeiten der Unterschiede zwischen den Parteien stellt die bei uns übliche Konsenspolitik aber zweifelsohne ein Hindernis dar. Trotzdem wird sie von vielen Opposi-tSönspoiitifcern befürwortet.' Sie 'sffld der Meinung, man müßte den Vorlagen der Regierung „die Giftzähne ziehen“, „das Ärgste verhüten“, möglichst viel von den eigenen Ideen durchsetzen, für die „eigenen Leute“ wenigstens Teilerfolge erzielen und wie der Redensarten mehr sind.

In Wahrheit ist die Oppositionspartei der Mehrheitspartei ausgeliefert. Will die SPÖ - der Anschaulichkeit halber sei es in Zahlen geschildert -50 erreichen, so verlangt sie im Gesetzentwurf 100, läßt die Opposition 50 herunterhandeln und hat ihr Ziel erreicht. Die Opposition stellt die 50 als ihren Erfolg hin, selbst wenn die 50 - von den Grundsätzen der Partei und der Interessenslage der Betroffenen her gesehen - ein viel zu großes Zugeständnis an die SPÖ darstellen.

Manche Oppositionspolitiker behaupten sogar, es gelänge durchaus, Regierungsvorlagen gänzlich „umzukrempeln“. Ich bezweifle das. Aber selbst wenn es so wäre, kann es den Wählern offenbar nicht bewußt gemacht werden, wie ÖVP-Obmann Taus in seiner ersten Pressekonferenz nach dem 6. Mai anklingen ließ.

Um derartige Oppositionsleistungen überhaupt bewußt machen zu können, müßten die Ausgangspositionen der Parteien viel klarer umrissen werden. Das geschieht vielfach nicht, denn es würde in einer Integrationspartei, wie der ÖVP, vielfach einen oft mühsamen Interessensaus-gleich erfordern. Außerdem - das scheint mir der noch häufigere Grund zu sein - will man sich den Spielraum für den Konsens nicht einengen. Man glaubt, „Erfolg“ haben zu müssen, auch wenn die Zugeständnisse der Regierungspartei noch so bescheiden sind.

' Dieses Erfolgsdenken ist fehi'am Platz. Wenn eine Partei von den Wählern nicht in die Lage versetzt wird, ihr Programm zu verwirklichen, dann kann sie ihre Ideen eben nicht durchsetzen. Wollte man diese Tatsache nicht anerkennen, wozu gäbe es dann überhaupt Wahlen?

Das soll allerdings nicht heißen, daß man sich als Oppositionspartei beleidigt ins Winkerl stellt. Keineswegs. Es heißt, jene Themen einer Legislaturperiode zu planen und in der Öffentlichkeit herausarbeiten, die die Unterschiede zu den anderen Parteien deutlich machen. Und es bedeutet, der Konsenspolitik dort ein Ende setzen, wo der Kompromiß zu weit von den eigenen Grundsätzen abweicht oder den Menschen, die man vertritt, nicht entspricht.

Eine Partei, die von den Wählern keine ausreichende Vollmacht erhielt, braucht nicht zu regieren, sie braucht auch Regierung und Ge-setzwerdung nicht zu verantworten. Sie muß lediglich bis zum nächsten Wahltag glaubhaft machen, daß sie es „besser könnte“. Für den 6. Mai ist das offenbar nicht gelungen.

Im übrigen: Wenn es einer Partei gelänge, ihre Vorstellungen aus der Opposition heraus zu verwirklichen, wozu sollte man sie zur Regierungspartei machen?

(Der Autor, Jurist und“Absolvent der Universität für Bodenkultur, arbeitet als Referent für Grundsatzfragen im Dachverband der Bauernbünde. Er vertritt in diesem Beitrag seine persönliche Meinung.)

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