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Heimweh nach Zwentendorf?

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Prof. Herbert Krejci, bisher stellvertretender Generalsekretär der Vereinigung österreichischer Industrieller und Chefredakteur der Verbandszeitschrift „die Industrie“, wurde zum geschäftsführenden Generalsekretär bestellt. Mit dem Ableben des bisherigen Generalsekretärs Botschafter i. R. Arno Haiusa war diese Stelle frei geworden. Mit Prof. Krejci sprach Alfred Grinschgl.

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Prof. Herbert Krejci, bisher stellvertretender Generalsekretär der Vereinigung österreichischer Industrieller und Chefredakteur der Verbandszeitschrift „die Industrie“, wurde zum geschäftsführenden Generalsekretär bestellt. Mit dem Ableben des bisherigen Generalsekretärs Botschafter i. R. Arno Haiusa war diese Stelle frei geworden. Mit Prof. Krejci sprach Alfred Grinschgl.

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FURCHE: OGB-Präsident Anton Benya hat in einem Gespräch mit der FURCHE die Ansicht vertreten, der Gewerkschaftsbund werde von sich aus nichts für die Nutzung der Kernenergie in Österreich unternehmen, aber sollte sich eine Initiative in dieser Richtung bilden, werde sich der ÖGB sicher nicht dagegenstellen. Könnte das ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Industrie und Wirtschaft sein?

KREJCI: Was die Industrie betrifft, haben wir immer und bis zuletzt gesagt, daß wir für die Inbetriebnahme von Zwentendorf sind. Es wird der Schwarzenbergplatz (Sitz der Industriellen-Vereinigung, Anm. d. Red.) sicher nicht in dieser Richtung aktiv werden. Es gibt ein Votum der österreichischen Bevölkerung, das man respektieren muß. Man könnte sich aber vorstellen, daß im Herbst eine ruhigere, sachlichere Diskussion über die neuen Aspekte der Energiepolitik beginnt - im Lichte der jüngsten Beschlüsse der OPEC. Dazu mehrere Bemerkungen:

Wir sollten nicht vergessen, daß die Abstimmung über Zwentendorf mit einer hauchdünnen Mehrheit gegen die Inbetriebnahme entschieden worden ist. Wenn eine neue Diskussion beginnt, muß nach Ansicht unseres Hauses dafür Sorge getragen werden, daß sie in sachlicherer und ruhigerer Form abläuft, als es im vorigen Jahr der Fall war.

Man muß die Kernkraftfrage auch im Lichte des Nord-Süd-Verhältnisses sehen. Die armen Länder sind mehr als die reichen Länder darauf angewiesen, Erdöl zu verbrauchen, während die reichen Länder auf Grund ihres hohen technischen Standards leichter imstande sind, das Erdöl zu substituieren. Und eine letzte Bemerkung. Man hat Sorge, daß, wenn an Stelle von Zwentendorf Kohlekraftwerke errichtet werden, die Umweltbelastung im größeren Einzugsgebiet der Bundeshauptstadt wesentlich stärker sein würde als mit der Kernenergie.

FURCHE: Wie könnte Ihrer Ansicht nach ein Fahrplan aussehen, der in Richtung Inbetriebnahme des Kraftwerkes Zwentendorf führt?

KREJCI: Das läßt sich heute beim besten Willen noch nicht abschätzen. Es gibt keine konkreten Vorstellungen darüber. Ich habe nur die rein persönliche Meinung, daß, falls es im kommenden Herbst oder Winter zu einer Verschärfung der Energiesituation kommt, das Verlangen vielleicht aus der Bevölkerung kommt, über diese Dinge noch einmal nachzudenken.

FURCHE: Sie meinen also, bereits im nächsten Winter könnte der Österreicher ein wenig Heimweh nach Zwentendorf bekommen?

KREJCI: Das ist vielleicht eine glückliche journalistische Formulierung; ob er Heimweh danach bekommen wird, weiß ich nicht. Heimweh nach Zwentendorf vielleicht nicht, sondern ein Verlangen nach dem sicheren Gefühl, daß ihm die Energieversorgung auch in Zukunft garantiert ist.

FURCHE: Gerade in der Atomfrage, aber auch in anderen Energiefragen hat man in der Vergangenheit den Eindruck gehabt, die Regierungspartei sei ein ganz guter Gesprächspartnerfür die Industrie. Von der Volkspartei hatte man weniger diesen Eindruck. Kann sich das in Zukunft ändern?

KREJCI: Hier möchte ich sagen, daß die energiepolitische Diskussion der Volkspartei, und ich kann das wirklich aus persönlichen Eindrük-ken sagen, daß das Votum gegen Zwentendorf sehr eindeutig vom damaligen Parteiobmann bestimmt worden ist. Kontakte mit dem neuen Parteiobmann haben in dieser Beziehung noch nicht stattgefunden. Aber ich glaube, daß der jetzige Parteiobmann belastet ist durch das Ergebnis der Volksabstimmung, aber nicht durch eine so eindeutig prononcierte Stellungnahme wie sie Dr. Taus für seine Partei abgegeben hat.

FURCHE: In einem Leitartikel in der „industrie“ haben Sie nach einem Gespräch mit Vizekanzler Hannes Androsch resümiert: „Es ist immer gut zu wissen, woran man ist.“ Soll das auch heißen, daß Androsch ein Bundeskanzler wäre, mit dem die Industrie sozusagen gut auskommen könnte?

KREJCI: Für unser Haus als Interessenverband gibt es nur eine Verpflichtung auch nach dem 6. Mai: Ein Interessenverband hat im Sinne der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder die Verpflichtung, mit der Regierung, gleichgültig welche Farbe sie hat, das Gespräch zu pflegen. Er hat die Verpflichtung, mit allen, insbesondere mit den zuständigen Regierungsmitgliedern dieses Gespräch zu pflegen und es ergibt sich aus der Natur der Sache, daß das Verhältnis zum Finanzminister im Sachgespräch besonders eng sein muß, ohne daß wir hier deswegen eine eindeutige Präferenz für einen Kanzler Androsch etwa abgeben würden. Das steht uns gar nicht zu und das wäre politisch auch gar nicht klug.

FURCHE: Wenn Sie jene Punkte nehmen, über die zwischen Industrie und Finanzminister immer wieder verhandelt worden ist, gibt es da mehr übereinstimmende oder mehr unterschiedliche Auffassungen?

KREJCI: Ich möchte sagen, es gibt viele Punkte, in denen im grundsätzlichen eine Übereinstimmung zwischen dem Vizekanzler und der Industrie besteht - etwa in der Sorge, daß die Grenzen der Finanzierbarkeit eines ausufernden Sozialstaates erreicht werden; etwa in dem Verlangen, mehr Eigenvorsorge für den ein-' zelnen zu ermöglichen. Aber es bestehen natürlich auch tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten, insbesondere im ordnungspolitischen Bereich.

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