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Ein einmaliges Erlebnis
Am Nein zur Kernenergie in Österreich waren - glaubt man den ersten Wahlanalysen - viele junge Menschen, vor allem auch Studenten, beteiligt. Tatsächlich gab es schon lange vor der Volksabstimmung viele - politisch heterogen besetzte - studentische Anti-Kernkraft-Aktivistengruppen. Das war überraschend. Ist doch gerade unter der Jugend - auch der studentischen - seit Jahren das politische Desinteresse unübersehbar.
Immer mehr konzentrieren sich die Studenten auf den privaten Bereich und das persönliche Studienfortkommen, absentieren sich aus dem öffentlichen Leben und stehen Phänomenen wie schlechten Lehrveranstaltungen, ungerechten Prüfungen, der permanenten Verschlechterung der sozialen Lage und Kassandra-Ru-fen über die Akademikerschwemme bestenfalls raunzend gegenüber. Denn alles wird als persönliches Unglück und nicht als gesellschaftspolitische Erscheinung gesehen.
Und nun diese breite und aktive Beteiligung der Studenten an einer allgemeinpolitischen Sachfrage! Ist diese Anti-Kernkraft-Bewegung und ihr überraschender Erfolg der Startschuß für ein politisch bewußteres Agieren der studentischen Jugend?
Der Schein trügt. Die gleichen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Anti-Kernkraft-Pickerln politisches Bewußtsein zur Schau tragen, dürften dieses bei Betreten der Universität abstreifen und sind bereit, schlechten Vortragenden zu lauschen, anstatt Kritik zu üben und Alternativlehrveranstaltungen durchzuführen, Prüfungsschikanen hinzunehmen, anstatt Prüferstreiks zu organisieren und akzeptieren Stipendienkürzungen und andere Provokationen aus dem Minoritenpalast.
„Das Nein zu Zwentendorf war wohl nicht als Sinnesänderung der Studenten zu erklären“
Das Nein zu Zwentendorf war als einmaliges Erlebnis wohl nicht als Sinnesänderung der Studenten zu erklären und ist auch nicht Beginn einer neuen Ära politischen Engagements.
Ein einmaliges Erlebnis, weil eine einzige Frage einerseits das latente Unbehagen der Jugendlichen gegenüber den etablierten Parteien und Verbänden sowie deren Angst- und Lügenpropaganda und anderseits das Mißtrauen gegenüber Fortschrittsgläubigkeit und unkontrollierbare Ubertechnisierung in eine scheinbar simple Ja-Nein-Entscheidung kanalisierte.
Weil ein Nein zu Zwentendorf gleichzeitig ein Nein zur Regierung, ein Nein zu Industrie- und Gewerk-
schaftspotentaten, ein Nein zur Umweltzerstörung bedeutete. Weil dieses Nein aber nicht erforderte, Ja zu einer konkreten politisch-wirtschaftlichen Systemveränderung oder gar Ja zu einem direkten Verzicht auf Leistungen der Zivilisation zu sagen. Ein Nein also, das nicht auch noch die Frage nach den Alternativen verlangte. Man konnte somit seiner Ablehnung und seinem Ärger freien Lauf lassen, ohne gleichzeitig angeben zu müssen, wie man sich selbst die Zukunft vorstellt.
„Immerhin hat sich vor allem die Jugend nicht für ganz blöd verkaufen lassen“
Aber immerhin hat sich die Bevölkerung und vor allem die Jugend in dieser Frage nicht für ganz blöd verkaufen lassen. Während man sich Gehaltserhöhungen für Politiker als Privilegienabbau, den achtmonatigen Wehrdienst als sechsmonatigen, antisemitische Rülpser für Ablenkungsmanöver, Naßrasierer- und sonstige Schmähs gefallen ließ, wurde der offiziellen Argumentation für Kernkraftwerke eine gehörige Portion Skepsis entgegengebracht. Und Skepsis ist die erste notwendige Voraussetzung für ein kritischeres Verhältnis der Bevölkerung zu Regierung und Machtapparaten.
Deshalb gibt dieses Nem doch Grund zur Hoffnung: war es doch ein Zeichen dafür, daß es möglich und sinnvoll ist, Nein zu sagen, auch wenn die „Etablierten“ Ja sagen, und ein Zeichen dafür, daß die Macht im Staat doch vom Volk ausgeht oder zumindestens ausgehen kann. Und es ist auch Erfolg für jene, die im Rahmen politischer Auseinandersetzungen auf demokratische Mittel zählen.
Dieser Erfolg könnte Ansporn sein, auch dort Nein zu sagen, wo erst gar nicht gefragt wird: zum Wissenschaftsbudget etwa, das im Ministerium noch immer ohne jegliche Mitwirkung der Betroffenen gemacht wird und auch entsprechend aussieht; zu vielen Professoren, die ihre Forschungen gern privat durchführen und in den Vorlesungen alte Schinken langweilig vom Blatt lesen; zu einer Regierung, die zwar den freien Hochschulzugang verbal proklamiert, sich aber nicht um das weitere Schicksal dieser jungen Menschen kümmern will.
Aus dem Nein zu Zwentendorf sollten wir alle lernen, Unmut in konkreten Fällen zu artikulieren und gemeinsam für gemeinsame Interessen einzutreten. Da zeigt sich dann auch, wer das Wort „Demokratie“ wirklich ernst nimmt.
(Vorsitzender der Hochschülerschaft an der Universität Wien)
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