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Nkrumahs vergessenes Ende

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Für die einen Messias, Erlöser und sofort“ bald eine große Gefolgschaft über Nacht zum Symbol der afrika-Halbgott, für die anderen ein erlangte. nischen Freiheitsbestrebungen, zum größenwahnsinniger Scharlatan und 1951 wurde Nkrumah wegen auf- Brennpunkt aller Hoffnungen des machthungriger Despot — Kwame Nkrumah, bis 1966 Staats- und Regierungschef der westafrikanischen Republik Ghana, starb an Krebs, einsam und fast vergessen, in einer Bukarester Klinik.

1909 geboren, wurde Nkrumah zunächst an einer katholischen Missionsschule erzogen. Der ehrgeizige und begabte junge Mann, der aus einem kleinen Dorf im Südosten der damaligen britischen Kolonie Goldküste stammte, ging später in die USA und nach England, um zu studieren.

In London begann er bald auch politisch aktiv zu werden. Von 1945 bis 1947 war er Generalsekretär des Westafrican National Secretariate, dessen Ziel es war, die Ideen eines vereinigten Afrika zu propagieren. Er gehörte zum engsten Kreis um George Padmore, den aus Westindien stammenden radikalen Verfechter der Idee des Panafrikanis-mus. Noch in England lebend, war Nkrumah schon eine bekannte Persönlichkeit in der Heimat. 1947 kehrte er an die Goldküste zurück, um Generalsekretär der United Goldcoast Convention zu werden, der ersten nationalistischen Partei der Goldküste. 1949 trennte er sich allerdings von der seiner Meinung nach zu gemäßigten UGCC und gründete seine eigene Partei, die Convention People's Party (CPP), die mit dem Slogan „Unabhängigkeit rührerischer Aktivitäten von der britischen Kolonialregierung inhaftiert. Während er noch im Gefängnis saß, errang seine CPP bei den ersten allgemeinen Wahlen 35 von 38 Abgeordnetensitzen. Nkrumah wurde aus der Haft entlassen und mit der Führung der Regierungsgeschäfte betraut. Schon 1957 erlangte Ghana (seit damals nicht mehr „Goldküste“) die Unabhängigkeit. Damit wurde dieser westafrikanische Staat noch größtenteils in kolonialer Abhängigkeit lebenden Kontinents.

1960 wurde Ghana Republik. Nkrumah bekleidete gleicherweise die Ämter eines Staatsoberhauptes und eines Regierungschefs, und erlangte sehr schnell auch die Kontrolle über Partei, Exekutive und Armee. Er machte Ghana zum Einparteienstaat, verhängte eine strenge Pressezensur, setzte unliebsame Richter ab.

Geschickt den Aberglauben der Massen ausnützend, baute er um seine Person einen fast religiösen Kult auf, ließ sich als Erlöser und Messias verehren, verbreitete das Gerücht von seiner Unsterblichkeit, ließ Bilder anfertigen, die ihn mit Jesus Christus zeigten und ließ sich mit Hymnen und Tänzen preisen.

Nkrumah lebte weit über seine eigenen und über die finanziellen Möglichkeiten seines Landes. Er begann zahlreiche kostspielige und spektakuläre Bauprojekte. Abgesehen von dem Mammutprojekt des Voltastaudammes, der tatsächlich für die wirtschaftliche Entwicklung Ghanas von eminenter Bedeutung ist, ließ er auch überlebensgroße bronzene Nkrumah-Statuen errichten und Triumphbögen bauen. Nepotismus und Korruption trieben Blüten. Galoppierende Inflation und ständig steigende Lebenshaltungskosten verursachten im Volk eine stetig wachsende, unter der Oberfläche gärende Unzufriedenheit.

Nach mehreren Anschlägen auf sein Leben verlor Nkrumah das Vertrauen in Polizei und Armee. Mit russischer und ostdeutscher Hilfe legte er sich eine Privatarmee und einen eigenen Geheimdienst zu. Dadurch machte er sich aber das Militär zum Feind.

Als er im Februar 1966 auf einer Friedensmission im Fernen Osten weilte, benützten die Militärs den Zeitpunkt seiner Abwesenheit zur erfolgreichen Durchführung eines Staatsstreichs. Nkrumah war in Peking, als sie zuschlugen.

Mit einem Schlag wurde damals in Ghana alles anders: Unterwürfige Lobhudelei für den Osagyefu (Erlöser) machte schonungsloser Kritik Platz. Statt seitenlanger Preisgesänge gab es nun in Ghanas Zeitungen ätzende Kommentare über Afrikas „Diktator Nummer eins“. Überall wurden Nkrumah-Bilder zertrampelt.

Nkrumah fand Asyl in Guinea bei seinem Freund Präsident Sekou Toure, der ihn mit offenen Armen aufnahm und spontan zum „Co-Prä-sidenten“ ernannte. Über Radio Conakry kündigte Nkrumah damals seine „triumphale Rückkehr“ nach Ghana an. Dazu kam es nie, und sehr bald wurde es ruhig um den gestürzten „Erlöser“. Als Sekou Toure im Vorjahr an die damalige Zivilregierung in Akkra herantrat, um die Rückkehr des schon von der Todeskrankheit gezeichneten ghanaischen Politikers in seine Heimat zu erwirken, wurde dieses Ersuchen glattweg abgelehnt. Zu sehr fürchtete man noch die faszinierende Wirkung dieses Mannes auf die abergläubischen Massen.

Die Zivilregierung unter Dr. Busia, die 1969 die Militärregierung General Ankrahs abgelöst hatte, wurde im Jänner 1972 wieder durch putschende Militärs gestürzt. Das Land scheint nicht zur Ruhe kommen zu können. Zu sehr leidet die Wirtschaft Ghanas heute noch an den Folgen der Gigantomanie Nkrumahs.

Aufstieg und Fall des Kwame Nkrumah waren mehr als eine persönliche Tragödie. Dieser von seiner Sendung durchdrungene Mann wollte Ghana zum „Symbol der Befreiung“ des gesamten afrikanischen Kontinents machen. In der von ihm gegründeten Zeitung „Evening News“ schrieb er 1960: „Afrika erwache! Wirf dir das wunderbare Gewand des Sozialismus über. Du hast nichts zu verlieren als deine Ketten. Du hast einen Kontinent wiederzugewinnen.“

Der Panafrikanismus ist zwar nicht tot, aber seine politische Komponente trat hinter der kulturellen — wie sie etwa in der von Präsident Leopold Senghor verfochtenen Idee der Negritude zum Tragen kommt — fast völlig zurück. Die Idee von den „Vereinigten Staaten von Afrika“ ist heute von ihrer Verwirklichung weiter entfernt als je zuvor.

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