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Nur die Linke darf ihre Stimme behalten

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Die beiden Kopenhagener Hausfrauen .betrachteten lange das reichhaltige Angebot an englischen und deutschen Zeitungen, das in dem Kiosk ausgehängt war. Dann faßten sie einen Entschluß: Sie wollten Fremdsprachen lernen, um sich auch weiterhin informieren zu können. Die dänischen Zeitungen, die sie zu kaufen pflegten, waren nämlich wieder einmal nicht erschienen.

Der neue Krieg, der in der Zeitungswelt Dänemarks ausgebrochen ist, hat zwei Ursachen. Da ist zunächst der ungebrochen schwelende Konflikt im „Berlingske“-Haus, der zuletzt in der Entlassung des gesamten technischen Personals - etwa 1000 Drucker und Setzer - gipfelte. Ehe nicht eine für die „Berlingske“-Arbeiter günstige Lösung des Streites gefunden ist, wollten die Drucker den gesamten Zeitungsmarkt des Landes lähmen. Zweiter Grund der Auseinandersetzung ist das neue Lohnabkommen, dem sich die Typographen als einziger Gewerkschaftsverband nicht angeschlossen haben. Für sie sind die als Verhandlungsresultat erzielten Verbesserungen - unter anderem ein Mindestlohn von 29 Kronen pro Stunde - nicht akzeptabel, weil die Löhne der gut bezahlten Drucker jetzt schon weit über den ausgehandelten Sätzen liegen.

Eine der beiden Streikursachen hätte für einen Ausstand reichlich genügt, denn auf Dänemarks Drucker kann man sich verlassen, wenn es um Arbeitsniederlegung geht. Wenn die Radionachrichten von irgendwelchen Maßnahmen berichten, die das Druckereigewerbe betreffen, dann weiß der Zeitungsabonnement, daß er am nächsten Morgen auf seine gewohnte Lektüre verzichten muß. Daraufkann er mehr vertrauen als auf die Nachrichten selbst, die „Danmark Radio“ vermittelt. An dem Tag, an dem der Berling-Verlag seine Drucker entließ, meldeten die 10-Uhr-Abendnach- richten, daß im zweiten großen Zeitungshaus „Politiken“ normal gearbeitet werde und die Zeitungen des nächsten Tages erscheinen würden. Um 10.15 Uhr stoppten die Maschinen und die Blätter aus dem „Politiken“- Haus erschienen nicht.

Einige Zeitungen kommen freilich dennoch auf die Straße, auch wenn die Typographen in den Kampf ziehen. Lahmgelegt ist nur das „bürgerliche“ Meinungsspektrum, das vom Auflagenzwerg „Christliches Tagblatt“ bis zur progressiv-liberalen „Politiken“ und dem Pop- und Pomo-Massenblatt „Extrabladet“ reicht. Die vier Zeitungen der Linken erscheinen hingegen ungestört: Das sozialdemokratische Parteiorgan „Aktuelt“, das kommunistische „Land und Volk“, das bedeutungslose Sprachrohr der Sozialistischen Volkspartei „Minavisen“ („Meine Zeitung“) und die hervorragend gemachte „Information“, ein parteiunabhängiges Blatt der äußersten Linken.

Die Aufgabe, umfassend zu informieren, fällt in den Tagen der Zeitungsarmut mehr denn je Radio und Fernsehen zu, die jedoch trotz aller Bemühungen um Vielseitigkeit und Ausgewogenheit nicht von ihrem Ruf loskommen, von links unterwandert zu sein. Die bürgerlichen Parteien und ihre Sympathisanten müssen in diesen Tagen schmerzlich erleben, wie gegen sie Stimmung gemacht wird, ohne daß sie darauf reagieren könnten. Im „Ber- lingske“-Verlag ist zu Beginn des Konfliktes einmal eine „Notzeitung“ erschienen, in der die Meinungen der Arbeitgeber und der Drucker wiedergegeben waren. Seither haben die technischen Arbeiter jeden Versuch der Verlagsleitung vereitelt, wieder an die Öffentlichkeit treten zu können. Dagegen drucken sie selbst die „BT-Klub“-Zeitung, in der ihre Stand punkte vertreten werden, und verteilen sie gratis an die Passanten in den Straßen Kopenhagens.

Der Druckerstreik in Dänemark ist keine politische Auseinandersetzung; „Berlingske Tidende“ wird nicht bestreikt, weil sie eine konservative Zeitung ist. Aber der Arbeitskonflikt zeigt nun Auswirkungen, die das politische Gleichgewicht des Landes empfindlich stören können.

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