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Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis, daß die Ruhensbestim-mungen der öffentlich Bediensteten, deren Pensionen gekürzt werden oder überhaupt ausfallen, wenn sie einer zusätzlichen Beschäftigung nachgehen, verfassungswidrig sind, den Gesetzgeber zu einer Revision gezwungen, die, wenn er nicht neue Rechtsungleichheit mit ASVG-Pensionisten schaffen oder die geltenden Regelungen in den Verfassungsrang erheben will, nur in Richtung einer Aufhebung aller Ruhensbestimmungen gehen kann.

Dem Verfassungsgerichtshof ist nicht nur für dieses Urteil, sondern auch für die Begründung zu danken. In dieser wird ausgeführt, daß es sich bei den Ruhensbestimmungen um einen Eingriff in das wohlerworbene Recht handelt, der das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der staatlichen Zusage erschüttert. Überdies sind ja in Erwartung dieser Leistung Opfer gebracht und Einzahlungen geleistet worden, die die Pension, die man schließlich erhält, nicht als bloßen staatlichen Gnadenakt erscheinen lassen. Die Ruhensbestimmungen sind aber auch leistungsfeindlich, da sie gerade diejenigen, die noch zu einem persönlichen Einsatz bereit und fähig sind, entmutigt und bestraft.

Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird aber auch bemerkt, daß es nicht gerecht sei, nur einer bestimmten Gruppe Solidaritätsopfer zuzumuten, die sich im übrigen als nicht im entferntesten ausreichend erweisen, um die zugedachte Funktion der Budgetsanierung zu erfüllen.

An diesem Punkt der mangelnden Zumutbarkeit und ungleichen Verteilung der Opfer und Lasten ist einzuhaken und zu ergänzen, daß die Bereitschaft zu , Opfer und Verzicht in den obersten Rängen der Macht gering entwickelt ist, daß es die in diesen Höhen Angesiedelten bisher an der Signalwirkung einer Umkehr im Sinne des Verzichtes und der Sparsamkeit fehlen ließen.

Wenn und solange an abtretende Politiker und politische Nutznießer im Bereich der Wirtschaft Millionenabfertigungen gezahlt, wenn und solange Politiker den an und für sich auch für sie geltenden Ruhensbestimmungen durch Bezug von als Aufwandsentschädigung deklarierten zusätzlichen Zuwendungen entgehen, darf man sich nicht wundern, wenn die Bereitschaft zu Solidaritätsopfern, die im ersten Stock der Gesellschaft beginnen müßte, zu ebener Erde gering und die Freude groß ist, daß der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber und der Regierung die ständig praktizierte Doppelmoral erschwert und sie zu einem Farbebekennen aufruft.

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