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„Poet aus Liebe”

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Den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird der nikaraguanische Priester und Dichter Ernesto Cardenal erhalten. Der Priester gehörte der Widerstandsbewegung gegen das Regime des Diktators Somoza an und ist seit dessen Sturz Kulturminister der sandinistischen Regierung Nikaraguas.

Der Ausgezeichnete gilt vor allem als bedeutender Lyriker. Seine „Psalmen” etwa bezeugen die tiefe Identifizierung des Dichters mit den Opfern der Diktatur.

Ernesto Cardenal, 1925 in Granada (Nikaragua) geboren, verbrachte viele Jahre in der Abgeschiedenheit eines amerikanischen Trappistenklosters. Hier entstanden unter dem Einfluß seines Novizenmeisters, des Dichters Thomas Merton, Cardenals lateinamerikanische Psalmen, die den biblischen Lobpreis Gottes mit der Bildwelt und Kultur seiner Heimat verknüpfen.

1965 gründete Cardenal, von Thomas Merton dazu inspiriert, auf Solentiname, einer Inselgruppe im großen See von Nikaragua, zusammen mit zwei Freunden eine kleine kontemplative Gemeinde. Doch die sozialen Ungerechtigkeiten in seiner Heimat überzeugten Cardenal davon, „daß geistige Betrachtung,

Kontemplation, in Lateinamerika den politischen Kämpfen nicht fernbleiben darf”.

So entstand die christliche Gemeinschaft der Bauern und Fischer von Solentiname. Jeden Sonntag kam man zusammen, in den Evangelien zu lesen und die Texte auszulegen. „Was uns am meisten radika-lisierte” , sagte Cardenal damals, „war das Evangelium”.

Als „dem Obskurantismus von Solentiname”, wie Diktator Somoza das nannte, im November 1977 durch Nationalgardisten ein Ende gemacht wurde, ging Cardenal ins Exil nach Costa Rica. Auf Auslandsreisen warb er um Verständnis und Unterstützung für den Befreiungskrieg in Nikaragua. „Tatsächlich” , so sagte Cardenal 1977, „zieht jeder wirkliche Revolutionär die Gewaltlosigkeit der Gewaltanwendung vor, aber er hat nicht immer'die Wahlfreiheit.”

Ernesto Cardenal, der „Poet aus Liebe” (Merton), ist der erste Kulturminister Nikaraguas überhaupt. In dieser Funktion hofft er, dazu beitragen zu können, daß es in seinem Land bald „eine Menge Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Lebensmittel für alle und angemessene Wohnungen für das ganze Volk” geben wird.

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