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Keine neue Kirche!

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FURCHE: Herr Minister, welche Rolle spielt die Kirche in Mittelamerikas Friedensprozeß?

ERNESTO CARDENAL: Die Erfüllung des Friedensabkommens von Guatemala hat in jedem Land eine Kommission zu überwachen, der auch ein Bischof angehören soll. In zwei Ländern Zentralamerikas wurde eine solche Kommission nicht einmal ernannt. In Nikaragua hat die Regierung durch Maßnahmen, zu denen sie nicht verpflichtet war, die Beziehungen zur Hierarchie verändert. Sie hat Kardinal Ob-ando Bravo, den größten Kritiker der Revolution, zum Vorsitzenden dieser Kommission ernannt, die Öffnung des Senders „Radio Catolica“ und die Rückkehr ausgewiesener Priester ermöglicht — als Teil des Friedensprozesses.

FURCHE: Wie sehen Sie die Lage der Kirche in Nikaragua und deren Verhältnis zu Rom?

CARDENAL: Wir alle gehören einer Kirche an, die vor 2000 Jahren gegründet wurde, es ist gar nicht nötig, eine neue Kirche zu gründen. Wir glauben, daß die Kirche der Armen die Kirche Jesu Christi ist, aber es ist keine andere Kirche. Wir stellen uns nicht gegen die Autorität des Papstes und auch gegen keines der Dogmen. Wir haben in Nikaragua eine geteilte Kirche, eine, die inmitten der Revolution steht, und eine, die gegen die Revolution ist. Das ist aber aus der Geschichte unseres Landes zu erklären.

FURCHE: Wie fühlen Sie sich als suspendierter Priester im Amt des Kulturministers?

CARDENAL: Priester bleibt man bis zum Tod. Ich wurde vom Vatikan vom Spenden der Sakramente suspendiert, aber das Priesteramt beschränkt sich ja nicht nur darauf. Es gibt Priester, die ihr ganzes Leben Mathematik oder Astronomie unterrichten. Ebenso kann ein Priester Kulturminister sein und für den Frieden seines Volkes kämpfen. Minister bedeutet Diener zu sein, sowohl Diener Gottes als auch Diener für das Volk.

Das Gespräch führte Georg Motylewitz.

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