Die Auseinandersetzungen über den deutsch-brasilianischen Atomvertrag haben in Lateinamerika die öffentliche Meinung deshalb so aufgewühlt, weil die nordamerikanische Intervention als eine Maßnahme von historischer Bedeutung angesehen wird, mit der die Abhängigkeit der Entwicklungsländer auf technologischem Gebiet verewigt werden solL In diesem Zusammenhang ist für die inneramerikanische Konstellation von Interesse, ob die beiden Anwärter auf die Atomenergie, Argentinien und Brasilien, miteinander oder gegeneinander arbeiten.
In Argentinien wird ein zweites Nuklearwerk („Embalse”) gebaut. Die USA haben jedoch den vereinbarten Export konventioneller elektronischer Kontrollinstrumente suspendiert, bis „der Fall Argentinien” geklärt sei. Gleichzeitig wird Kanada zwar den für 400 Millionen Dollar gekauften Reaktor liefern, weigert sich aber, das Abkommen über den Technologie-Transfer zu erfüllen, bevor Argentinien den Atomsperrvertrag unterschrieben hat. In dieselbe Rich tung weist die Haltung der „Internationalen Organisation für Atomenergie”. Obwohl Argentinien zu ihren Vollmitgliedern gehört, hat sie den Auftrag abgelehnt, der Versuchsanlage für „schweres Wasser” einen Sachverständigenrat zur Verfügung zu stellen.
In Buenos Aires weist man darauf hin, daß die Atommächte mit ihrem Londoner Abkommen einen „Club” gegründet haben, um sich den Alleinbesitz der sogenannten „sensitiven Elemente” zu sichern, während die Staaten, die sich, wie Argentinien und Brasilien, weigern, den Atomsperrvertrag zu unterzeichnen, keine Gegenfront gebildet haben.
Man spricht davon, daß demnächst Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen beider Länder beginnen sollen. Das würde eine völlige Umkehrung der bisherigen brasilianischen Außenpolitik bedeuten, da das „Ita- maraty” traditionsgemäß Argentinien als seinen Gegenspieler ansieht.
