Die Bildung eines kommunistischen und prosowjetischen Staates inmitten der westlichen Welt macht die nunmehr zwanzigjährige Herrschaft Fidel Castros zu einem außergewöhnlichen Ereignis. Die Ansichten über ihn sind geteilt: Für seine Anhänger ist er ein genialer Staatsmann, der im Innern die Massen mitreißt, das Analphabetentum beseitigt, modernste sanitäre Zustände geschaffen und gleichzeitig beispiellose internationale Erfolge aufzuweisen hat. Für seine Gegner ist er ein bärtiger Teufel, der die Ruhe vieler Konti* nente stört und es noch nicht einmal fertiggebracht hat, sein Volk
Gleichzeitig mit US-Präsident Jimmy Carters Offensive zur Verteidigung der Menschenrechte beobachtet man eine steigende Aktivität europäischer Parlamentarier und kirchlicher Stellen für die „Befreiung politischer Gefangener“ in lateinamerikanischen Staaten. Dabei wird zuweilen den Botschaften vorgeworfen, sich nicht genügend einzusetzen. In der ganzen Frage besteht eine alarmierende Unklarheit über die Voraussetzungen und die Chancen der Einschaltung ausländischer Diplomaten.Das „Juristen-Komitee“, das in Rio de Janeiro die Linie der Menschenrechts-Kommission der „Organisation
Für US-Präsident Jimmy Carter, der bei seinem Amstan- tritt vier Fünftel Lateinamerikas von De-facto-Regierungen beherrscht vorfand, hat die „Wahrung der Menschenrechte” — für ihn mit der Demokratisierungstendenz identisch - Priorität. Im Bündnis mit Venezuela will er den liberalen demokratischen Kräften in Lateinamerika zum Durchbruch verhelfen.
Die Diskussionen, die vielfach am Rande der Fußballweltmeisterschaft über die politische Situation Lateinamerikas geführt wurden, bestätigen die tiefschürfenden Gegensätze, mit denen „der Mann von der Straße“ in den Vereinigten Staaten und Westeuropa einerseits und in Lateinamerika anderseits auf die Militärregierungen reagiert. In New York, Paris oder Frankfurt wirft man den Lateinamerikanern vor, daß sie dieses Regime widerstandslos hinnehmen, während man es in Buenos Aires als ungerecht empfindet, wenn Argentinien nur nach dem Schicksal der von rechtsradikalen Mitgliedern der Polizei entführten und ermordeten politischen Gegnern beurteilt wird.
In der Geschichte des lateinamerikanischen Verfassungswesens kommt dem 4. Juni 1978 eine besondere Rolle zu: Die Wahlen in Kolumbien und in Peru bilden bedeutende Etappen in der allzu abwechslungsreichen innenpolitischen Entwicklung dieser beiden Staaten.
Argentinien ist zwar das größte Reiseland im Süden Lateinamerikas, wenn auch nur 3 Prozent der Besucher aus den USA und Europa kommen. Es ist auch eine der Nationen, in denen Fußball eine Volksleidenschaft ist. Der Weltmeistertitel wäre eine beispiellose Bestätigung nationaler Gefühle. (Die Chancen dafür scheinen freilich gering zu sein, da zwei Monate vor den Spielen die Zusammenstellung der Mannschaft noch immer nicht feststeht.) Aber weder Touristik noch Sport sind die Motive, die die Regierung veranlaßt ha-' ben, so schwere Opfer auf sich zu nehmen, um die Veranstaltung über die
Verzweiflung, Angst und Nervosität nach der Entführung Aldo Moros und der Ermordung seiner fünf Leibwächter ließen in Teilen der italienischen Bevölkerung den Ruf nach „Selbstjustiz-Kommandos“ laut werden. Nicht allzu laut, aber doch nicht überhörbar. „Todesschwadronen“ heißen diese Mordkommandos in Brasilien. Auf das Konto dieser Verschwörerbande, die überwiegend aus Kriminalbeamten besteht, gehen Dutzende von grausamen Morden.
Ein kräftiges Säbelrasseln aus dem Süden Lateinamerikas ließ in jüngster Zeit immer mehr politische Beobachter dieses Kontinents aufhorchen und jeder stellte die bange Frage: „Bahnt sich zwischen Argentinien und Chile eine größere kriegerische Auseinandersetzung an?“ Denn der Konflikt zwischen den beiden Staaten um die Zone des Beagle-Kanals und südlich von ihm spitzt sich zu.
„Die Mörder wollten ein Licht auslöschen, aber sie haben einen Scheiterhaufen angezündet.“ So kommentierte ein Geistlicher von 10.000 Kirchenbesuchern den Mord an dem Oppositionsführer Dr. Pedro Joaquin Chamorro in Nicaragua. Wie recht der Geistliche behalten sollte: Nach dem Todesschuß glich die Hauptstadt Managua einem Hexenkessel, im ganzen Land brach eine Streikwelle los. Geschäfte und Universitäten blieben geschlossen, Fabriken wurden still- und Verkehrssysteme lahmgelegt. Zeitweise waren mehr als die Hälfte aller Berufstätigen des 2,5 Millionen-Volkes von Nicaragua im
Die Ausweisung der Kubaner aus Somalia, die Erklärung des Präsidenten Opango, 6000 Kubaner im Kongo empfangen zu wollen und Castros Zusage, die Unabhängigkeit in Puerto Rico zu unterstützen, werfen wieder die Frage nach den Hintergründen der weltweiten kubanischen Intervention auf.
Der chronische Konflikt zwischen den Ländern, die eine „Atom-Technologie“ besitzen und Ländern, die einen Transfer dieser Technologie verlangen, hat sich bei den Reisen des venezolanischen Präsidenten Carlos Andres Perez nach Brasilien und des nordamerikanischen Außenministers Cyrus Vance in dieses Land und nach Argentinien aktualisiert.Er zeigte sich in den UN, wo Argentinien und Peru mit weiteren sieben blockfreien Ländern eine Erklärung einbrachten, in der „das legitime Recht aller Staaten“ festgestellt wurde, „die Atomenergie zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
Die Welle, die durch Guérilleros, Parteizersetzung und Wirtschaftskrisen ganz Lateinamerika bis zum Äquator zu offenen oder verschleierten Militärregimen führte, schlägt jetzt zurück. Noch vor Ecuador und Perü hat Bolivien die angekündigten Wahlen um zwei Jahre, auf Juli 1978 vorverlegt. Man rätselt über die Gründe. Vor allem will Boliviens Staatschef General Banzer zur hundertjährigen Wiederkehr des „Salpeterkrieges” von 1879 den damals verlorengegangenen Zugang zum Pazifik wiedergewinnen, wagt es aber nicht, den von seinen Nationalisten bekämpften Landtausch mit Chile
Die Guerilleros, die sich in Nicaragua „Frente Sandinista de Liberación” nennen, halten wieder einmal ihr Land und das ihrer Nachbarn in Atem. Lange bevor Fidel Castro, Ché Guevara und der brasilianische Carlos Ma- righela die moderne Form der lateinamerikanischen Guerilla erfanden, war in Nicaragua der Kleinkrieg gegen die seit 1936 bestehende Diktatur der Dynastie Somoza endemisch. Leitbild der Guerilleros war Augusto Sandini, der in den Anfängen der dreißiger Jdhrfe feinen zeitweise erfolgreichen Krieg gegen seine Regierung und die; amerikanische Besatzungsarmee führte.Die
Die brasilianische Regierung hat als eine der Bedingungen für ihre Verhandlungen mit Argentinien über die Ausnutzung des Paranä das Ende der „antibrasüianischen Kampagne” in der Bonaerenser Presse gefordert. Tatsächlich kommt aber in ihr nur die Angst zum Ausdruck, die unter den Nachbarn des Kolosses Brasilien vor der Expansionspolitik des größten Staates Südamerikas besteht. Sie wird in Brasilia zwar bestritten, aber das Schlagwort „Land im Aufbruch” und die These von den „Grenzen in Bewegung” sind geeignet, Unruhe zu Verbreiten. Die Sorge ist des weiteren in den
Die Unterzeichnung des neuen Vertrages über den Panamakanal beseitigt das größte Spannungsmoment in den Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika: ln dem südlichen Halbkontinent erschien es grotesk, daß die Vereinigten Staaten als Wortführer für die Dekolonialisie- rung auftraten, selbst aber in der Kanalzone eine nordamerikanische Kolonie aufrechterhielten. Für den Unbeteiligten mag es unwichtig sein, daß mitten in der Hauptstadt eines Staates eine fremde Macht über ein Territorium von 1400 Qua:- dratkilometem herrschte und dort nicht nur die Armeen, sondern auch eigene
Die gleichzeitig in Argentinien und in der Bundesrepublik ausgebrochene Diskussion, ob die Todesstrafe ein wirksames Mittel gegen Terrorismus sei, weist auf eine aktuelle Parallele im Szenarium des Terrors hin: Es bestehen unübersehbare internationale Verflechtungen der verschiedenen Stadt-Guerilla-Bewegungen. In Lateinamerika haben sich die subversiven Gruppen von Argentinien („ERP“- „Ejėrcito Revolucionario del Pueblo“ - „Revolutionäres Volksheer“), Chile („MIR“ - „Movimento Izquierdista Revolucionario“ - „Revolutionäre Linksbewegung“), Bolivien („EIM“ -
„Befreiungsbewegungen“ in Nahost, Afrika und Asien haben durch die Solidarität der „Dritten Welt“ Aufnahme bei den internationalen Organisationen gefunden. Mit Hilfe derselben Argumente, mit denen die Verteidigung der Baader-Meinhof-Gruppe für die Angeklagten einen Status als „Kriegsgefangene“ gefordert hat, beginnt sich in der öffentlichen Meinung (nicht nur der „Dritten Welt“) ein gefährlicher Umdenkungsprozeß zu vollziehen. Seit der Genfer Tagung über die Humanisierung des Krieges, an der 100 Staaten teünahmen, werden Aggressionsakte der „Befreiungsbewegungen“
Die Verbrüderung des nordamerikanischen Präsidenten Jimmy Carter mit seinem venezolanischen Kollegen Carlos Andrės Pėrez bewies erneut, daß Brasilien als Sprecher Lateinamerikas in Washington durch Venezuela ersetzt wurde. So schrieb das „Jornal do Brasil”, Carter hätte Pėrez nicht so sehr als den Sprecher der „Dritten Welt” und Leader eines demokratischen Landes gepriesen, wenn er besser über Lateinamerika orientiert gewesen wäre.Es ist bezeichnend, daß der brasilianische Präsident, General Ernesto Geisel, vor der Reise seines uruguayischen Kollegen Mėndez nach Brasilien
Eine der für die Auslandsarbeit aller Regierungen wichtige Frage ist es, wie eng die Bindung der Ausgewanderten zu ihrem Heimatland bleibt. Es gibt für diese Bindung zahlreiche Beweise, die überraschen, aber nicht verallgemeinert werden dürfen. So gibt es in Chicago zahlreiche deutsche Vereine; aber in dem Schmelztiegel der USA geht die Integration besonders schnell vor sich. In Lateinamerika, wo in Südbrasilien, Südchile und Argentinien insgesamt zwei Millionen deutscher und deutschstämmiger Menschen leben, vollzieht sich der Assimilationsprozeß langsamer als im Norden des Kontinents.
Die politische Landschaft Lateinamerikas ist wieder einmal in Bewegung geraten. Dabei geht es nicht um neue Probleme. Der ständige Wechsel zwischen Militärdiktatur und zivilen Kräften, das komplizierte Gleichgewichtsspiel und der Traum von der lateinamerikanischen Einheit sind aktuelle Themen seit der Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Länder vor etwa 150 Jahren. Es ist kein Zufall, daß bei dem kürzlichen Treffen zwischen dem venezolanischen Präsidenten Carlos Andres Pėrez und dem argentinischen Generalleutnant Jorge R. Videla immer wieder die Namen der „Befreier” Bolivar und
Die Haltung der südamerikanischen Regierungen gegenüber der Diskriminierung durch Carter wegen Verletzung der Menschenrechte wird andern Beispiel Uruguays bes anders klar. Zwar wird der kleine RuSer- staat weiter von seinen großen Nachbarn umworben. Der argentinische Präsident, Generalleutnant Jorge Rafael Videla, wird gegen Ende Juni in Montevideo erwartet, ebenso ist ein Treffen zwischen dem uruguayischen Präsidenten Dr. Mėndez und dem brasilianischen General Ernesto Geisel vorgesehen. Aber der argentinische Außenminister, Vize-Admiral Cėsar Augusto Guzzetti, erklärte bei seinem
Es gehört zu den vielen Paradoxien der Zeitgeschichte, daß Fidel Castros weltpolitischer Einfluß in demselben Grade zunimmt, in dem er in Lateinamerika abnimmt. Nicht einmal die Guerrilla auf diesem Halbköntinent beruft sich mehr auf ihn. Trotzdem Werden seine Verhandlungen mit den USA, seine spektakuläre Afrikareise und vor allem deren Auswirkungen auf die Sicherheit Südamerikas mit größter Aufmerksamkeit beobachtet.Carters außenpolitischer Beginn ist —: von Lateinamerika aus gesehen - ein grötesker Fehlschlag. Carter machte die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba davon
Der chilenische Luftwaffengeneral Gustavo Leigh, Mitglied des „Regierungsausschusses“, erklärte kürzlich: „Die augenblickliche nordamerikanische Außenpolitik könnte den Traum Bolivars, die lateinamerikanische Einheit, Wirklichkeit werden lassen.“Man muß sich fragen, ob es sich bei dieser Äußerung um ein ironisches Bonmot, einen Warnschuß oder eine Propezeihung handelt. Auf den ersten Bück könnte man die intensive diplomatische Tätigkeit, die Argentinien zur inneramerikanischen Annäherung entfaltet, als Ouvertüre für eine allamerikanische Blockbildung anse- hen. Die Reisen
Im Río de la Plata trieben vor dem eleganten Wohnvorort San Isidro, 20 Kilometer nördlich von Buenos Aires, zahllose tote Fische. Die staatlichen Wasserwerke der argentinischen Hauptstadt befürchteten daraufhin eine Vergiftung des Trinkwassers und gaben Alarm. Wenige Tage vorher hatte ein Flugzeug der „Alitalia“ bei seinem Abflug nach Mailand einen Flügel verloren. Die Kontrolle wies den Piloten an, vor der Notlandung den Brennstoff in den Río de la Plata abfließen zu lassen, um die Explosionsgefahr zu vermindern. Die Experten sind sich nicht darüber einig, ob das Fischsterben auf
Die argentinische Regierung kündigte eine „diplomatische Gegenoffensive” an, um das Image des Landes in Westeuropa zu verbessern. Die Einreihung unter „Staaten, die Menschenrechte verletzen” wird dort wie in Brasilien, Chile und Uruguay auf eine entstellte Darstellung der wahren Situation des Landes zurückgeführt. In der Tat interessiert die Massenmedien in Westeuropa und den USA nur das Sensationelle: Entführungen, Torturen, Aktionen der Guerilleros.Nun läßt sich nicht bestreiten, daß in Argentinien ein verschleierter Krieg gegen eine glänzend organisierte linksradikale
Die Auseinandersetzungen über den deutsch-brasilianischen Atomvertrag haben in Lateinamerika die öffentliche Meinung deshalb so aufgewühlt, weil die nordamerikanische Intervention als eine Maßnahme von historischer Bedeutung angesehen wird, mit der die Abhängigkeit der Entwicklungsländer auf technologischem Gebiet verewigt werden solL In diesem Zusammenhang ist für die inneramerikanische Konstellation von Interesse, ob die beiden Anwärter auf die Atomenergie, Argentinien und Brasilien, miteinander oder gegeneinander arbeiten.In Argentinien wird ein zweites Nuklearwerk („Embalse”)
Der ständige Wechsel zwischen Demokratie und Diktatur, der die verfassungsmäßige Situation in fast allen lateinamerikanischen Ländern charakterisiert, zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit in dem kleinen Fünf-Mil- lionen-Staat Ecuador, der in den eineinhalb Jahrhunderten seiner Unabhängigkeit unter 17 Verfassungen von etwa 63 Präsidenten in 46 zivilen und 32 de facto-Regierungen beherrscht wurde. Bei der Tendenzänderung, die sich in Lateinamerika in Richtung auf Demokratisierung anbahnt, liegt Ecuador wieder einmal an der Spitze. Das Militärtriumvirat unter der Präsidentschaft des
Der argentinische Präsident Generalleutnant Jorge Videla erklärte in einem Interview mit der Zeitung „darin”, er wolle zu einer Regierungsform übergehen, in der sich die militärischen und die zivilen Kräfte die Macht teilten, um so den typischen Ablauf der argentinischen Herrschaftszyklen zu beenden. In ihnen werden abwechselnd schwache Militärregierungen von aufstrebenden Volksparteien, oder lahme zivile Regime von den Streitkräften gestürztAber die Wege, um zu diesem Ziel zu gelangen, sind heute noch dunkler als sie es beim Sturz von Isabelita Perön im März 1976 waren. Der
Der Chefkommandant des bolivianischen Heeres, General Raul Alvarez, warnte vor der Gefahr eines Krieges zwischen Chile und Perü. Er erklärte: „Wir können uns keine Illusionen über den Respekt vor unserer Neutralität und Souveränität machen, wenn andere Kräfte im Dunkeln wirken.“ Hinter diesen alarmierenden Andeutungen, die man nicht als Wichtigtuerei eines politischen Generals abtun kann, stehen zwei Tatsachen: das Wettrüsten zwischen Chile und Perü, wobei die großen Tank- und Flugzeuglieferungen aus Moskau nach Lima allerdings weltpolitische Befürchtungen recht- fertigen, und
Das Modewort in Lateinamerika heißt „bilateraler Pluralismus“. Zwar sprechen die Auguren in Washington davon, daß Carter einen Entwicklungsplan vorbereite, der nicht wie jener Kennedys „Allianz für den Fortschritt“ heißen, sie aber in Wirklichkeit wiederholen werde. Dem steht die gegenteilige Ankündigung entgegen, daß Carter seine kontinentale Politik nicht mit der Gesamtheit der Staaten, sondern mit den einzelnen Ländern je nach ihrer ideologischen Haltung und sozialen Gesittung abstimmen wolle. Die „Allianz für den Fortschritt“ ist vor allem daran gescheitert, daß die
Das weltpolitische Panorama wird nicht nur von der Auseinandersetzung zwischen den drei „Großen“, zwischen Washington, Moskau und Peking beherrscht, sondern auch von dem Kampf belebt, den „kleine“ Staaten gegen die Mehrheit der UNO führen. Dabei handelt es sich um Konflikte, die völlig verschiedenen Ursprungs sind. Nationalchina (Taiwan) erdrosselt man, um Peking gefällig zu sein; Israel wird in die Enge getrieben, weil die Araber mit Hilfe ihres Erdöls an entscheidender Macht gewonnen haben; Südafrika wird isoliert, weil andere das Kap der Guten Hoffnung besitzen wollen; 70
Der Kauf von 36 sowjetischen Überschall-Kampfflugzeugen durch Peru und die freilich nicht störungsfreie Annäherung zwischen Buenos Aires und Moskau zeigen die Bemühungen der Sowjets, wenigstens „Inseln“ auf dem südamerikanischen Kontinent zu beeinflussen. Dabei ist fast überall eine scharfe Unterscheidung zwischen dem innerpolitischen Kampf der lateinamerikanischen Regierungen gegen die eigenen Kommunisten und den außenpolitischen Beziehungen zur Sowjetunion zu beobachten. Ein totaler Bruch besteht nur mit Chile. Es ist bezeichnend für das weltpolitische Spiel, daß dieser Bruch
„Venezuela braucht in den nächsten fünf Jahren mindestens 900.000 Spezialarbeiter, um seinen Entwicklungsplan erfüllen zu können“, erklärte der Präsident des „Nationalrates für Arbeitseinsatz“ Raul Sosa Rodrlguez. „Um die sensationellen Projekte für Atomenergie in Brasilien zu verwirklichen, müßten 100.000 Spezialisten ausgebildet werden“, liest man. Wer diese Ziffern hört, glaubt, in Lateinamerika bestehe ein fast unbegrenzter Bedarf an Akademikern. Aber gleichzeitig spricht man in Brasilien von Soziologen, die als Portiers arbeiten, und von Philosophen, die Wurst
Der italienische Neutöner Luigi Nono wurde von dem argentinischen Komponisten Alberto Ginastera, einem sehr aktiven Katholiken, in das „Lateinamerikanische Zentrum für hohe Musikstudien” des Instituto Di Telia nach Buenos Aires eingeladen. Sein Programm war gewiß erstaunlich. In das Werk ,,Der Wald ist jung und voller Leben” für Tonband, Klarinette und Stimmen ist der Plan der „Escalation” des nordamerikanischen Kriegsministeriums nach Veröffentlichung der Zeitschrift „Fortune” eingearbeitet. „Die illuminierte Fabrik” gibt Originalgeräusche der Fabrik Italsider wider.
Aus Caracas dirigiert Perön die Untergrundtätigkeit. Ein Kurier der argentinischen Revolutionsregierung bringt sechs große Koffer mit Beweismaterial nach Rio. In Südbrasilien wird eine Verschwörergruppe verhaftet. Die pero- nistische Frauen„führerin" Dr. Elicia Eguren, 19 Monate ohne richterlichen Haftbefehl im Frauengefängnis, wird an Bord eines französischen Dampfers nach Spanien deportiert. Aber schon nach sieben Stunden Fahrt sucht sie — am Kai von den Leitern der Montevideaner Emigrantenzelle erwartet — in Montevideo Asyl und erklärt, daß Perön bald zurückkehren werde.
Montevideo, im Jänner28 Stunden lang aß und trank der bolivianische Staatspräsident Hernän Siles Zuazo nichts. Dann gaben die Führer der COB, der bolivianischen Arbeiterzentrale, ihren Widerstand gegen sein Stabilisierungsprogramm auf. Die Minenarbeiter und Eisenbahner stellten die Streiks ein. „Um ein Volk vom Hunger zu befreien, begann sein Präsident einen Hungerstreik“, schrieb eine südamerikanische Zeitung. Auf dem „Schwarzen Markt" war der Dollar, der offiziell noch immer mit 190 bolivianischen Pesos notiert wurde, in wenigen Monaten von 650 auf 1300 „bolivianos“
Zehntausende demonstrierten in den Straßen von Buenos Aires. Die Botschaft und das Konsulat der Sowjetunion wurden angegriffen. Der Cadillac des Botschafters (Resanow) wurde angezündet. Bei dem Diplomatenempfang zum Jahrestag der Revolution suchten Demonstranten mit dem Rufe „Mörder, Mörder!“ in die Botschaft einzudringen, wurden aber mit Tränengas und Wasser aus Feuerwehrschläuchen zurückgetrieben. In Rosario, der zweitgrößten Stadt Argentiniens, wurde die Revolutionsfeier der Kommunisten gestört. Drei Antikommunisten wurden mit Schüssen verletzt, Parteihäuser der Kommunisten
Die Konferenz der amerikanischen Präsidenten in Panama ist auf den 21. Juli verschoben worden. Der Kontinent ist in alarmierender Unruhe: In Argentinien halten peronisrische Putschversuche an. In Brasilien stürmt die hungrige Menge Eisenbahnen und Autobusse. In Peru und Guatemala kennzeichnen Ausnahme-recht, Generalstreik und Straßenkämpfe das politische Klima. In Kuba werden Mordpläne gegen den Diktator Batista am laufenden Band aufgedeckt. So haben die Präsidenten — nach südamerikanischer Auffassung — dringendere Sorgen, als an einer Konferenz teilzunehmen, die ihnen keinerlei