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Lateinamerika atmet auf

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Die Unterzeichnung des neuen Vertrages über den Panamakanal beseitigt das größte Spannungsmoment in den Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika: ln dem südlichen Halbkontinent erschien es grotesk, daß die Vereinigten Staaten als Wortführer für die Dekolonialisie- rung auftraten, selbst aber in der Kanalzone eine nordamerikanische Kolonie aufrechterhielten. Für den Unbeteiligten mag es unwichtig sein, daß mitten in der Hauptstadt eines Staates eine fremde Macht über ein Territorium von 1400 Qua:- dratkilometem herrschte und dort nicht nur die Armeen, sondern auch eigene Polizei, Gerichtsbarkeit, Post- und Zollwesen für sich in Anspruch nahm. Diese „Besetzung” war für die Lateinamerikaner ein trauriges Überbleibsel jener Gewaltpolitik, mit der Theodore Roosevelt Panama praktisch von Kolumbien löste und sich auf unbegrenzte Zeit zum Herrn dieses ,JHcht-Staates” machte.

Innerhalb von 30 Monaten nach Inkrafttreten des Veftrages wird Panama über den Feuerwehrmann hin bis zum Richter in der Kanalzone herrschen. Freilich wird die endgültige Souveränität erst um die Jahrhundertwende erworben werden, und auch für die Zeit danach ist der Panamakanal „neutralisiert”. Aus der Sicht der anderen lateinamerikanischen Staaten sind die Einzelheiten des Abkommens unwichtig. Für sie ist nur entscheidend, daß sich die Einstellung der USA zu den „schwachen Brüdern im Süden” geändert hat.

Die Unterzeichnung des Vertrages in der Washingtoner OAS-Zentrale, bei der die meisten lateinamerikanischen Präsidenten anwesend wa- ren, bedeutet aber auch eine weitgehende Milderung der Distanzierung, die Carter anfänglich zu den südlichen De-facto-Regimes zeigte. Washington lehnt es ab, die Regie-, rung des Generals Omar Torrijos eine „Diktatur” zu nennen, obwohl sie ohne Zweifel eine ist, da Torrijos nicht gewählt und das Parlament „ernannt” ist. Offizielle Bezeichnung des Weißen Hauses dafür: Ein „stark nationalistisches und populistisches Regime”. Dabei geht es nicht um ein Spiel mit Worten: In der Bezeichnung „populistisch” liegt die Feststellung, daß das Volk nicht unterdrückt wird, sondern umgekehrt, das Regime stützt.

Gewiß kein Zufall, daß viele lateinamerikanische Regierungen gerade jetzt ihren Willen zur Rückkehr zur Demokratie bekunden: Ekuador und Peru für 1980, Uruguay (mit starken Einschränkungen) für 1981. In Argentinien wird ohne klare Fristensetzung der Plan für eine neue Republik veröffentlicht, und auch in Brasilien ist für Ende 1978 eine neue Verfassung angekündigt. Es wäre verfehlt, anzunehmen, daß die Demokratien westlicher Prägung innerhalb kurzer Zeit in Lateinamerika wieder Einzug halten. Trotzdem läßt sich eine unübersehbare Distanzierung von der Diktatur erkennen: Sogar der chilenische Präsident, General Pinochet, der das härteste Regime in Lateinamerika aufrechterhält, hat Carters Hand geschüttelt. Das Klima in den Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika hat sich zweifellos gebessert.

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