Werbung
Werbung
Werbung

Als sich Vasco Nunez de Balboa 1513 durch die 80 Kilometer Dschungel am Isthmus von Panama kämpfte, war von einem Kanal noch lange keine Rede.Doch der kürzeste Weg zwischen Atlantik und Pazifik ließ die Phantasien Europas nie mehr los.

Der spanische Entdecker überlebte seinen bahnbrechenden Marsch durch die Sümpfe Panamas nur wenige Jahre: Zuerst verlor er seinen Gouverneursposten und wenig später seinen Kopf. Kaiser Karl V. blieb der geforderte Wasserweg zwischen den beiden Küsten genauso versagt wie Frankreich drei Jahrhunderte später, als die einstige spanische Kolonie Panama zur Provinz Großkolumbiens geworden war - der Goldrausch des 19. Jahrhunderts in Kalifornien machte die uralte Vision für die Alte Welt wieder interessant, auch wenn die Digger zunächst die neue Eisenbahn quer über den Isthmus nutzten. Die Pariser Geographische Gesellschaft unterzeichnete zwar 1878 einen Vertrag mit Kolumbien über die Errichtung eines Kanals von Limon Bay nach Balboa, doch die technische Machbarkeit des kühnen Unterfangens blieb umstritten. Zwanzig Jahre, immerhin dreißig gegrabene Kilometer und 20.000 Tote später zogen sich die Franzosen endgültig zurück.

Malaria und Gelbfieber, dazu der Bankrott der Baufirma, öffneten Nordamerika den Weg nach Panama. Theodore Roosevelt unterstützte die Separatisten und die Unabhängigkeit Panamas 1903, das ihm dafür nicht nur die Rechte des Kanalbaus sondern auch eine 10-Meilen-Kanalzone als souveränes amerikanisches Territorium einräumte. Well done, Mr. President: Die Jungfernfahrt der neuen Wasserstraße bestritt die U.S.S. Ancon am 15. 8. 1914 - die erste offizielle Befahrung durch ein Hochseeschiff - in knapp zehn Stunden, gerade rechtzeitig vor dem Ersten Weltkrieg. Die 400 Millionen US-Dollar Baukosten hatten sich gelohnt.

US-Enklave

Richtig glücklich war man in Panama nie. Die junge Republik verdankte ihre Existenz den USA, die - je nach tagespolitischer Opportunität - von Anfang an die Politlandschaft des Landes bestimmten und mal hier, mal dort intervenierten. Nationalismus und Anti-Amerikanismus blühten: Wer will sein Land schon zweigeteilt sehen durch eine US-Enklave entlang des Kanals? Die prosperierende Kanalzone unter der Verwaltung eines US-Gouverneurs, zumeist eines pensionierten Generals, der ärmliche Rest an Panama?

Omar Torrijos Herrera, einer der vielen starken Männer auf Zeit, einigte sich 1977 mit US-Präsident Jimmy Carter auf eine endgültige Lösung der leidigen Kanalfrage, erreichte die Abschaffung der Kanalzone 1979 und die stufenweise Rückgabe des Wasserwegs an Panama bis 1999, der durch die Panama Canal Commission vorbereitet werden sollte.

Herrera hat es nicht mehr erlebt: Nach einem - wie in Mittelamerika so oft - unvorhersehbaren Flugzeugabsturz 1981 übernahm Geheimdienstchef Manuel Noriega das Kommando, wurde von Gegnern in der Nationalgarde prompt des Drogenhandels beschuldigt - und bald zum roten Tuch und zur persona non grata für Hardliner George Bush; nach einer blutigen US-Invasion 1989 landete Noriega hinter amerikanischen Gittern.

High Noon am Äquator: Seit 31. 12. 1999, 12 Uhr, gehört der Kanal wieder Panama allein. Den USA blieben Sonderrechte zur Garantierung der Neutralität und des Schutzes des Kanals. Seit 1997 verwaltet die ACP, eine Autonome Kanalverwaltung, die ehemalige Zone und entrichtet Gebühren an den Staat Panama - dringend nötige Gelder für ein Land, das erst lernen muss, sich vom Big Spender in Washington zu emanzipieren. Die offizielle Landeswährung ist immer noch der US-Dollar, auch wenn Balboas, die heimischen Münzen, gleichwertig sind. Die Verkehrssprache blieb meist Englisch, trotz indianischer und spanischer Umgangssprache. Der statistische Lebensstandard ist nicht übel: Drei Viertel der Bevölkerung leben von Dienstleistungen und nicht einmal acht Prozent von der Landwirtschaft, Lebenserwartung 74 Jahre, Analphabetenrate neun Prozent - die Dritte Welt sieht meist anders aus.

Knapp so groß wie Österreich, ist der 2,8-Millionen-Staat immer noch zweigeteilt. Die ehemalige Kanalzone, ein etwa 16 Kilometer breiter und 80 Kilometer langer Landstreifen zwischen Cristobal und Panama City, ist auch nach dem Truppenabzug von 20.000 US-Marines das wirtschaftliche Herz des schlauchförmigen Landes geblieben - die 350 Millionen US-Dollar, die US-Bürger jährlich im Land ausgegeben haben, fehlen dennoch bitter. 767 Kilometer Karibikküste und 1.234 Kilometer Pazifikstrand, mehr Vogelarten als in ganz Nordamerika und 1.200 Orchideengattungen, doch nicht einmal 400.000 Touristen pro Jahr: trotz der 14 Nationalparks, die fast 25 Prozent des Staatsgebiets einnehmen. Panama hat zuviel neokoloniale Fremdbestimmung erlebt, um sich freudig in die Welt der Clubanlagen zu stürzen. Dass in der Ruinenstadt von Panama Viejo, 1671 vom Piraten Henry Morgan niedergebrannt und nur sechs Kilometer außerhalb der schillernden Downtown von Panama City, Touristenpolizei mit Mountainbikes die Besucher nicht aus den Augen lässt, ist wohl auch nicht urlaubsfördernd. Die Wandteller (Kanal, Schiff und Sonnenuntergang) der Straßenhändler an den Miraflores Schleusen sind Ladenhüter.

Die gewaltige "Bridge of the Americas" mag die einzige Straßenverbindung zwischen Mittel- und Südamerika sein, doch die legendäre "Panamericana" aus Alaska endet jenseits des Kanals in einem Gewirr von Dschungelpfaden. Die Guaymi Indianer, die mittlerweile in Boquete für Ruiz & Co die Kaffeebohnen pflücken, oder die Kunas auf der Insel Blas, die mit Blasrohr und Volkstanz auf Tourgruppen warten: Die Abholzung ihrer tropischen Regenwälder schreitet munter voran, verstärkte die Niederschlagsintensität und führte zu Uferrutschungen und Verschlammung des Kanals, dessen Instandhaltung mit jährlich 100 Millionen US-Dollar veranschlagt wird. Eine Schiffspassage braucht rund 200 Millionen Liter Süßwasser, die letztendlich im Meer landen - in Dürrejahren muss daher die Zahl der durchfahrenden Schiffe auf maximal 50 pro Tag beschränkt werden.

Nervöse Pistolen

Zwei Fünftel der bunten Mischbevölkerung aus Mestizen, Schwarzen, Indianern und Kreolen leben immer noch im Umfeld der Lebensader Kanal, den ihre Vorfahren unter Lebensgefahr geschaffen haben. Die glitzernde Skyline von Panama City vermag zunächst durchaus zu blenden: 150 Banken, das größte Tagungszentrum Mittelamerikas, Shopping in der Via Espana und dann Chicken McNuggets nebenan. Doch nächtens sind die Straßen schummrig beleuchtet und leer und auch tagsüber heißt es das Kopfsteinpflaster in Casco Viejo bei der alten Kathedrale meiden, vor der die Straßenjungen in den Dressen von Romario und Figo das unrunde Leder laufen lassen. Señores, capiesce?

Jeder vierte im Land lebt unter der Armutsgrenze, jeder dritte in der Hauptstadt - die Rechnung ist simpel, die Kriminalität in den verfallenen Ghettos enorm, wo rostige VW-Busse und durchlöcherte Chevy-Wracks lange Geschichten erzählen könnten von lockeren Messern und nervösen Pistolen. Ein Blick auf die Balkenlettern der Tageszeitungen genügt: Die goldenen Pioniertage der Hauptstadt sind Vergangenheit, als Maultierkarawanen aus Peru Schätze sondergleichen für den spanischen König herbeischleppten und später der Kanalbau Glücksritter aus aller Welt in den kleinen Pazifikhafen lockte.

Mireya Moscoso Rodríguez, die gegenwärtige Präsidentin, ist seit September 1999 im Amt. Die Witwe von Mehrfachpräsident Arnulfo Arias ist Vorsitzende der rechtsgemäßigten Partido Arnulfista - späte Rache an Hauptgegner Martin Torrijos, dem Sohn von Omar Torrijos, der 1968 gegen Moscosos verstorbenen Gatten geputscht hatte. Die Fehden in Panama drohen weiterzugehen, mit oder ohne Gringos. Die spielen nur mehr eine Nebenrolle im Konzert der mächtigen Politclans. Doch wer weiß schon wirklich, wohin der Kanal fließen will.

Informationen:

www.pancanal.com

www.panamatours.com

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung