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Der schrittweise Rückzug Washingtons aus Panama

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Nirgendwo zwischen Mexiko und Feuerland war früher der Ruf „Yankee, go home!” so schrill und haßerfüllt zu hören wie in Panama. Stein des Anstoßes war die Kanalzone, ein 16 Kilometer breiter Landstrich, durch dessen Mitte der 81 Kilometer lange Panamakanal verläuft. Von den Panamenen wurde die Kanalzone als „ein Dorn im Fleische Panamas” empfunden, als „ein Schandfleck in Lateinamerika”; sie machte Panama zu einem der geteilten Länder unserer Erde.

Die Teilung bestand seit dem Jahre 1903, dem Geburtsjahr der

Republik Panama. Seinerzeit war das Land noch eine Provinz der Republik Kolumbien.

Wiederholt hatte das Land versucht, sich von Kolumbien zu lösen. Mit nordamerikanischer Unterstützung gelang die Sezession. Washington wurde somit zum Geburtshelfer des neuen Staates.

Die Verfassung und die Flagge Panamas wurden von Bunau-Va-rilla entworfen; er war es auch, der vor dem Eintreffen einer pa-namenischen Delegation in Washington das Panama-Abkommen unterzeichnete. Darin wurden die amerikanischen Rechte in der Kanalzone unbefristet „auf ewige Zeit” festgelegt. Die „Panama-Kanal-Gesellschaft” erhielt souveräne Rechte „für den Bau, die Verwaltung und die Kontrolle des Kanals”. Nach zehn Jahren war der Kanal fertig.

Die Kanalzone entwickelte sich mitten in Panama zu einem Wohlstandsghetto des „American way of life”. Das parkartige Verwaltungszentrum Baiboa, nur wenige Autominuten von den Slums und dem chaotischen Verkehr von Panama City getrennt, mutet nach wie vor an wie „eine typisch amerikanische Antwort auf den Eigensinn und die Unordnung der Tropen”.

Rund 30.000 US-Bürger, vornehmlich Beamte, Soldaten und Techniker mit ihren Famüien, lebten bis vor einigen Jahren in der Kanalzone. Die wenigsten von ihnen sprachen Spanisch, die offizielle Staatssprache Panamas. Den Nordamerikanern wurden mangelhaftes Anpassungsvermögen und kolonialistische Gepflogenheiten vorgeworfen. Immer wieder, vor allem am panameni-schen Nationalfeiertag, kam es zu Demonstrationen und Ausfällen gegen die nordamerikanische Präsenz.

Washington mußte befürchten, daß es in der Kanalzone zu Terroranschlägen oder zu einer Vietnam-ähnlichen Situation kommen könnte. Jedermann weiß, daß die Schleusenanlagen leicht verwundbar sind.

Panamas „starker Mann”, General Omar Torrijos, der 1968 durch einen Putsch der Nationalgarde an die Macht gekommen war, erklärte: „Wenn keine zufriedenstellende Abmachung mit den Vereinigten Staaten zustande kommt, wird es in Panama einen Volksaufstand geben.”

Torrijos unterhielt gute Beziehungen zu Kuba und unterstützte die Guerillabewegung der Sandi-nisten in Nikaragua. In Washington fand er erst in Jimmy Carter einen willigen Gesprächspartner.

In der Panamafrage hatte Washington ganz Lateinamerika gegen sich; die Panamaverträge waren unter sehr fragwürdigen Umständen zustande gekommen und nie von einem Panamenen unterzeichnet worden. Der „große Graben” zog eine Trennungslinie, die sich in den interamerikanischen Beziehungen als ein ständiges Hindernis erwies.

„Wie ein Kieselstein”

Carters moralische Appelle reichten anfänglich nicht aus für neue Panamaverträge, die er dem amerikanischen Senat im September 1977 und im April 1978 zur Ratifizierung vorlegte. Es galt, dem Sicherheitsbedürfnis der Amerikaner Rechnung zu tragen, ihre Sorge über kommunistische Umtriebe am Kanal zu zerstreuen. Und General Torrijos war einsichtig genug, von seinen Maximalforderungen an Washington nach einer sofortigen Ubergabe der Kanalzone und einer Entschädigung in Milliardenhöhe abzurücken.

Ein Kompromiß kam zustande, der die Neutralität des Wasserweges sicherstellt und den Nordamerikanern das Recht einräumt, den Panamakanal militärisch zu verteidigen, wenn die Durchfahrt gefährdet ist. Der Kernsatz der

Verträge lautet: „Die Oberhoheit der Vereinigten Staaten über den Panamakanal wird am 31. Dezember 1999,12 Uhr mittags Panama-Zeit, erlöschen.”

Präsident Carter hatte für die Annahme der Verträge im Senat nur eine hauchdünne Zweidrittelmehrheit erhalten. Bringt man das wortreiche Vertragswerk auf einen kurzen Nenner, so läßt sich sagen: Bis zum Jahre 2000 geht die Kanalverwaltung schrittweise an Panama über. Bis zu diesem Zeitpunkt erhält Panama eine Kanalgebühr von jährlich rund siebzig Millionen Schilling. Nach der Ubergangszeit wird die Kanalzone der Republik Panama als zehnte Provinz eingegliedert.

Die ehemalige Kanalzone wurde aufgehoben, aber der größte Teil der Betriebs- und Militärzonen in unmittelbarer Nähe des Kanals wird noch bis zum Jahre 2000 amerikanischer Kontrolle unterliegen. Die USA behalten über diesen Zeitpunkt hinaus ein müitärisches Interventionsrecht, falls „die Neutralität des Kanals gefährdet ist”. Nationalbewußte Panamenen sehen darin eine Verpflichtung zum Wohlverhalten im Sinne Washingtons.

In einer Volksabstimmung hatte General Torrijos ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit für die Verträge erhalten. Im gemäßigten Ton hatte er dem Volke erklärt: „Die Verträge sind wie ein Kieselstein, den wir in den nächsten

Jahren noch in unserem Schuh zu tragen haben. Aber der Kieselstein im Schuh ist besser als ein Dolch im Leib.”

Den Panamenen ist bewußt, daß sie den Kanal nicht aus eigener Kraft verteidigen können. Sie wünschen aber auch keine Situation, die Washington veranlassen könnte, von seinem militärischen Interventionsrecht Gebrauch zu machen. Aus diesem Grunde spielt Panama eine aktive Rolle bei der Friedenssuche in Mittelamerika. Kein künftiger Präsident der Vereinigten Staaten soll einen Vorwand für eine Revision der Kanalverträge erhalten. Ausgiebig wird der Begriff Soberania (Souveränität) bemüht.

Pläne für zweiten Kanal

Kann ein Entwicklungsland wie Panama seiner Rolle am Kreuzweg des Welthandels gerecht werden? Schon seit vielen Jahren sitzen Panamenen in verantwortlichen Positionen, Jahr für Jahr rücken qualifizierte, in Spezial-programmen ausgebildete Kräfte nach. 77 Prozent des Behördenpersonals sind panamenisch.

Die neunköpfige Panama Canal Commission, die die frühere Panama-Kanal-Gesellschaft abgelöst hat, wird bis 1990 einen Nordamerikaner, danach einen Panamenen als Präsidenten haben. Bis zum 31.12.1999 geben fünf Vertreter Washingtons in der Kanalkommission den Ton an.

Als 1914 der Panamakanal eröffnet wurde, war kein Schiff zu groß für den neuen Wasserweg. Heute sind die Schleusenanlagen für moderne Supertanker und größere Flugzeugträger zu klein. Schon seit langem werden Pläne für einen zweiten Kanal erörtert. Außer Panama sind Nikaragua und Kolumbien im Gespräch.

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