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Die Weltwasserkrise von 1990 rückt näher

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Im Río de la Plata trieben vor dem eleganten Wohnvorort San Isidro, 20 Kilometer nördlich von Buenos Aires, zahllose tote Fische. Die staatlichen Wasserwerke der argentinischen Hauptstadt befürchteten daraufhin eine Vergiftung des Trinkwassers und gaben Alarm. Wenige Tage vorher hatte ein Flugzeug der „Alitalia“ bei seinem Abflug nach Mailand einen Flügel verloren. Die Kontrolle wies den Piloten an, vor der Notlandung den Brennstoff in den Río de la Plata abfließen zu lassen, um die Explosionsgefahr zu vermindern. Die Experten sind sich nicht darüber einig, ob das Fischsterben auf diese Maßnahme zurückzuführen ist.

Die Debatte darüber zeigt nur einen der unzähligen Fälle auf, in denen das Problem der Umweltverschmutzung eine immer alarmierendere Rolle spielt. An den Stränden von Buenos Aires ist längst das Baden wegen der Industrieabwässer verboten. Schiffe lassen Heizöl in den Fluß. Unmittelbar neben dem schönsten der sieben Mon- tevideaner Strände münden die Rohre des Kloakensystems ohne chemische Reinigung oder wirksame mechanische Siebung; es ist ein Wunder, daß unter den Tausenden der sonntäglich Badenden noch keine Epidemie ausgebrochen ist.

Diese skandalöse Verunreinigung lebenswichtiger Gewässer war eines der Themen der von der UNO organi-

sierten Wasserkonferenz, die mit etwa 2000 Delegierten aus 145 Ländern bis zum 25. März im argentinischen Badeort Mar del Plata tagte. Nicht weniger als 250 Expertisen sind von den Konferenzteilnehmern vorgelegt worden. Der Präsident der argentinischen Nationalkommission, die diese Mammutkonferenz vorbereitet hat, Ing. Luis Urbano Jauregui, gab einige Ziffern bekannt: Nach den Statistiken der Weltgesundheitsorganisation sterben täglich 25.000 Menschen an Krankheiten, die als Folge des Trinkwassermangels anzusehen sind. Ein Drittel der Weltbevölkerung verfügt nicht über hygienisch sauberes Wasser. In den Elendsgebieten verschiedener lateinamerikanischer Großstädte wird Trinkwasser teuer verkauft. In Nordostbrasilien gibt es, nicht anders als in der Sahel-Wüste Nordafrikas, Durstkatastrophen. Aber die alarmierendste These, über die auf dem Kongreß anscheinend Einigkeit geherrscht hat, ist die Voraussage einer Weltwasser- krise für das Jahr 1990. Sachverständige erklärten, der Süßwasservorrat halte nicht mit der wachsenden Bevölkerungszahl Schritt. Der Generalsekretär der Konferenz, der Sudanese Abdel Mageed, sprach von der Notwendigkeit einer regionalen und internationalen Zusammenarbeit bei der Verwertung der Wasservorräte, wobei er freilich die sich daraus ergebenden Konflikte anerkannte. In de,r

Tat mußte man sich große Mühe geben, die Konferenz auf téchnische Fragen zu beschränken und die politischen Streitigkeiten über Wasserläufe auszuklammem.

Meere und Flüsse sind sowohl völkerverbindend als auch völkertrennend. Argentinien und Brasilien streiten sich seit vielen Jahren um die Nutzung des Paranä-Stroms. An seinem Oberlauf haben die Brasilianer schon 20 kleinere Stauwerke angelegt und bauen seit zwei Jahren das größte Wasserkraftwerk der Welt in Itaipü. Die Argentinier fürchten nun, daß dadurch ihre beiden Projekte am Unterlauf des Paraná beeinträchtigt werden könnten. Bolivien und Chile hatten jahrelang ihre diplomatischen Beziehungen wegen der Streitigkeiten über die Nutzung des Flusses Lauca abgebrochen. Derzeit erregen die Verhandlungen zwischen Venezuela und Kolumbien über die Grenzziehung am Golf von Venezuela die öffentliche Meinung beider Länder.

Die Bedeutung der Konferenz lag immerhin darin, daß die Wasserkrise zum ersten Mal in großem Rahmen diskutiert wurde und daß Erfahrungen ausgetauscht wurden. Dagegen war die Konferenz nicht imstande, völkerrechtlich verbindliche Grundsätze für Gewässer, die von mehreren Staaten genutzt werden, aufzustellen.

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