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WASSER

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„Es ist gut, Wasser in Kupferkesseln zu halten, es dem Sonnenlicht auszusetzen und es durch Holzkohle zu filtrieren“, rät nicht etwa ein Ingenieur von heute, sondern steht in einem Medizinbuch in Sanskrit aus dem Jahre 2000 v. Chr. Die Bibel, arabische, persische, griechische und römische Klassiker beschäftigen sich mit der Qualität des Wassers. In den Tälern berühmter Flüsse — Nil, Euphrat, Indus, Ganges, Jangtse — blühten große Kulturen auf, und der heute noch nicht beendete Kampf des Menschen mit den großen Strömen, wie dem von den Gletschern des Himalaja kommenden Brahmaputra, dem Nil und seinen Tücken, dem Volta in Westafrika, verdiente ein Heldenepos. Die Kanäle Ninives und die Wasserwerke Ägyptens entstanden vor 3000 Jahren, das Drainage-System des Minospalastes vor 2000 Jahren, und noch immer fließt Wasser durch die von den Römern gebauten Viadukte. Mit dem schwindenden Einfluß Roms verschwand auch die Kenntnis der Wasserzähmung. Erst im 13. Jahrhundert erfreuten sich Klöster und Begüterte an Anlagen für gutes Trinkwasser, und die sanitären Anlagen für Wasserversorgung und gutes Trinkwasser unserer Städte begannen erst vor etwa 200 Jahren.

Reines Wasser kommt in der Natur nicht vor, es handelt sich für den Menschen auch nicht um reines, sondern um gesundes Wasser. Dieses kommt zu uns vom Himmel als Regen, wird vom Grund absorbiert und erscheint wieder als Quelle und Grundwasser.

Der Mensch allein verwandelt das vom Himmel fallende Wasser, das unsere Seen und Flüsse füllt, in Gift. Er ist es, der seine eigene Versorgung mit Trinkwasser zerstört durch seine unglückliche Gewohnheit, das Wasser ohne Vorsicht für alle möglichen Zwecke zu nützen und auf ihm bedenkenlos Abfälle abzuladen, die Krankheiten erzeugen. Mit Abwässern und Kloakenwässern werden die Oberflächenwässer verdorben, Abfälle werden im Boden abgeladen, wo sie der Regen beim Durchsickern aufnimmt und das Grundwasser verseucht. Gewiß hat das Wasser die Eigenschaft, sich von der Verschmutzung in einem Selbstreinigungsprozeß zu befreien, wenn man ihm seinen eigenen Weg läßt; dies braucht aber Zeit und ist unkontrollierbar; nur sehr lange Ströme können sich vor dem Eintritt ins Meer selbst reinigen, und dem Menschen ist es gelungen, auch dies empfindlich zu stören. Wie J. S. McKenzie P o 11 o k, der Direktor für den Weltgesundheitsdienst (OMS) für Südostasien feststellt, tötet das Wasser mehr Menschen, als die Erfinder der Wasserstoffbombe träumen konnten. Die Wasserstoffbombe ist neu, indes das todbringende Elend verschmutzter Gewässer eine uralte Drohung ist. Susruta in Indien gibt aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. die Beschreibung einer Epidemie, die zweifellos Cholera war. Und wie Pollok berichtet, sterben an vom Wasser vermittelten Krankheiten in Indien allein viertausend Menschen täglich.

Das Wasser ist auch die Basis für die industrielle Entwicklung. Ohne Planung und Gesetz richtet uns aber ihr Wasserverbrauch oder eigentlich Mißbrauch zugrunde. Durch die Abwässer der Industrieanlagen, die Chemikalien, die durch sie in die Flüsse und Seen, aber auch in die Grundwasser gelangen, werden diese gefährlich verschmutzt, und überall beginnt bereits gesundes Trinkwasser zu mangeln. Sheppard P o w e 1, Consulting Ingenieur aus Baltimore in USA, sagt in einem Bericht für die OMS, es gäbe gewiß große Fortschritte auf allen Gebieten, aber sie alle forderten neue Anlagen und neue Wassermengen zu jenen hinzu, die schon für industrielle Zwecke verwendet wurden. Durch lokale Konzentration von Industrien sei es zu einer verschwenderischen Praxis gekommen. Das Publikum müsse auf die fehlende Planung und die daraus resultierenden Folgen für die Gesundheit aufmerksam gemacht werden. Es sei notwendig, ein Inventar des Wasserbedarfs auf nationaler Basis aufzustellen, Industrien mit starkem Wasserverbrauch zu dezentralisieren, den Wiedergebrauch von Wassern durch die Industrien wie die Verwendung von Salz- und Brackwasser zu propagierst. Er nennt als dramatisches Beispiel die Erzeugung von synthetischem Gummi während des Krieges, die ein so exzessives Pumpen von Grundwasser mit sich brachte, daß dieses dadurch unverwendbar als Trinkwasser wurde. Der Chefingenieur Edward Cleary aus C i n c i n-n a t i erklärt Wasserverschmutzung durch Industrien für den Fortschritt völlig unnötig, wo dies dennoch geschehe, zeige es Mangel an sozialer Reife. Und er verweist auf die durch Planung und gemeinsame Arbeit erreichte Sanierung des River välley in Ohio, wo die Industrien durch Ableitung der Abwasser mithalfen.

Obwohl sich seit dem Krieg das allgemeine Niveau der Gesundheit gehoben hat, stellt die Pollution der Gewässer, auch durch radioaktive Abfälle, die Menschen vor neue Probleme. Es geht um die Formung von Ingenieuren und um die Verbreitung der diesbezüglichen Kenntnisse.

Wässerung des Landes zu benützen, weil das Gras nach Professor Jensen für die Kühe gefährlich wurde und sich in der Bevölkerung darum der Bandwurm verbreitete? In Holland besteht das größte Problem in der Entsalzung der Wässer, und es wird mit Sorge festgestellt, daß der ins Land kommende Rhein bereits Salz enthält — in 50 Jahren wird sich die Salzmenge verdoppelt haben. Nach den Gutachten der Experten ist in Belgien das Pollutionsproblem der Flüsse bei der dichten Bevölkerung und viel Industrie sehr ernst; die Scheide kommt schon verschmutzt ins Land, andere Flüsse, sind es auf lange Strek-ken. Auch der Rhein ist durch Industrieabwässer verunreinigt, und schon hat ein Fischsterben eingesetzt. Nach OMS-Berichten zeigt sogar der Bodensee schon teilweise Verschmutzung. Die iftepertetf^teHeri CtMNtß der kWzte Krfög und seine Folgen in Deutschland eine schlimmere Pollution der Gewisser mit sich gebracht haben als anderswo, schon deshalb, weil die Industrie auf hohen Touren lief und nichts für die Abwässer getan wurde, dann durch die Zerstörung der Städte wie durch den beschleunigten Wiederaufbau, wobei man sich schon aus Geldmangel wenig um die Pollution der Gewässer kümmerte. Die Experten meinen aber, daß Deutschland in absehbarer Zeit modernere Wasseranlagen haben werde als irgendein anderes Land. Jedenfalls gilt das Gesetz: Je höher der Lebensstandard, desto größer die Gefahr der Wasserpollution. Der Mensch glaubte bisher an die ewige Regeneration des Wassers und ließ darum alle Abwässer in Flüsse und Seen — erst heute kennt man die Gefahr. In allen Ländern beginnt man, durch verschärfte Gesetze der weiteren Verschmutzung der Gewässer zu steuern. Schwieriger ist es, verschmutzte Gewässer zu reinigen, denn Filtrierstationen — und diese genügen längst nicht mehr —, wie Stationen, zur Sterilisierung kosten sehr viel Geld, und Industrielle sind wenig geneigt, Reinigungsanlagen für ihre chemisch verseuchten Abwässer zu errichten, da diese mit der Produktion nichts zu tun haben.

Die OMS läßt durch ihre Experten Berichte zusammenstellen und arbeitet unermüdlich sowohl für die Aufklärung als für die Erstellung geeigneter Anlagen.

Die meisten wassergeborenen Krankheiten sind mit Menschen und Tieren durch die gefährliche Praktik verbunden, deren Verdauungsprodukt im Wasser abzuladen. Die wässergeborenen Krankheiten kommen ohne Zwischenträger direkt vom Menschen — Cholera, Dysenterie, Darmfieber, Wurminfektionen. Die Krankheitsträger verlassen den Körper einer Person und werden von einer anderen durch das Trinkwasser oder durch solches Wasser verseuchte Nahrungsmittel aufgenommen. Dysenteriebazillen können drei Wochen lang im Trinkwasser leben. Cholerabazillen wurden von einer infizierten Quelle 25 Meilen weitwgettagea. Dabei braucht ein Mensch • g* nicht selbst krank zu sein, um die Ursache einer Infektion zu bilden. Möhr als zehn Prozent der Menschen in manchen Ländern haben ständig Typhusbazillen in sich. Ebenso werden Würmer vermittelt. Und abgesehen von Todesfällen verursachen wassergeborene Krankheiten viel dauernde Invalidität. Der Chef des Nationalen Hygieneinstituts in Paris, Dr. C h a s s a g n e, warnt besonders vor der Kinderlähmung, die vielfach durch verseuchtes Trinkwasser oder durch dieses verseuchte Nahrungsmittel übertragen wird. Man kann sich vorstellen, was diese Frage erst für die unterentwickelten Länder bedeutet, wie zum Beispiel Ägypten, wo die Landleute bis zu den Knien in verseuchtem Wasser arbeiten müssen und daher 80 Prozent von ihnen an Schneckenfieber leiden.

In Europa brauchen wir gar nicht an die Cholera- und Typhusepidemien am Ende des 19. Jahrhunderts zu erinnern: Noch 1947 gab es 250.000 Typhusfälle mit 25.000 Toten. Ist es nicht erschreckend, daß in Dänemark erst verboten werden mußte, die Stadtkanäle zur Be-

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