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Wenn der lezete Tropfen versiegt

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Weltweit wird Trinkwasser knapp. Konferenzen und Studien zu diesem Thema häufen sich. Dieser Tage etwa findet in Istanbul die HABITAT II statt. Bei dieser UNO-Stadtentwick-lungskonferenz werden die brennenden Probleme der großen Städte der Welt diskutiert (Müll, Infrastruktur, Verkehr). Eines der Hauptanliegen ist auch die Suche nach Lösungen für die Wasserversorgung. Wally N'Dow, Generalsekretär der HABITAT II, sagt: „Ich glaube nicht, daß die Gesellschaften, wie wir sie heute kennen, überleben werden."

Wir werden Wasser sparen und es gerechter verteilen müssen.

Wasser ist beispielweise für viele Amerikaner etwas, das -ganz selbstverständlich - aus der Leitung kommt. Allerdings stellt sich im trockenen Südwesten der USA ein Umdenkprozeß ein. Basengießen in Wüstengebieten, verschwenderisches Duschen, häufiges Autowaschen und Swimmingpool-Füllen sollen eingeschränkt werden. Auch der ungezügelte Wasserverbrauch der Industrie, das üppige Bewässern von Feldern und Wasserspiele zum Gaudium der Gäste in der Wüsten- und Spielerstadt Las Vegas sind so ohne weiteres nicht mehr machbar.

Wassersparen: Was in den USA Luxusverlust bedeutet, ist in vielen Begionen der Erde eine Notwendigkeit, um die nackte Existenz zu retten.

Wasserverteilung: Was in den USA in geordnetem, rechtsstaatlichem Bahmen entschieden wird, ist in ande-

ren Staaten und auch zwischen Staaten oft nicht geregelt.

In vielen Entwicklungsländern ist reines Wasser eine Mangelware. Verschmutzungen verursachen 80 Prozent der Erkrankungen. Etwa zehn Millionen Menschen sterben jährlich an Cholera, Typhus, Hepatitis A und Bilharziose. Krankheiten, die auf Konsum von und Umgang mit verschmutztem Wasser zurückzuführen sind. Besonders akut ist das Problem in den großen Städten, so wie in Mexiko-City.

Francisca Emanuel Gutier-rez und ihre Familie beispielsweise leben in der Armensiedlung Chalco am Bande von Mexiko-City. Hier wohnen rund 800.000 Menschen in gemauerten Häusern, also nicht wie in anderen Siedlungen in ärmlichen Verschlagen aus Abfall, Karton, Wellblech. Die Gutierrez' haben zwar Strom, aber keinen Wasseranschluß und keine Kanalisation. Das Wasser bringt ein Tankwagen, und es wird in die offene Zi-

sterne am Dach gefüllt. Der Wind bringt Straßenstaub und Fäkalienreste in die Zisterne. Die Kinder leiden an Durchfall und Hautausschlägen; 90 Prozent aller Erkrankungen in Chalco sind Darminfektionen. Cholera und Typhus treten immer wieder auf.

Viele Bewohner von Mexiko-City haben keinen Wasseranschluß, trotzdem hat die 16-

Millionen-Stadt die Beserven an Grundwasser ausgebeutet. Die Mexikaner haben so viel Wasser entnommen, daß der austrocknende Grund Volumen verliert. In der Folge senkt sich der Boden um bis zu 20 Zentimeter jährlich.

Experten sagen Mexiko-Stadt für das Jahr 2030 35 Millionen Einwohner voraus. Aber wie soll die Stadtverwaltung das Wasser für so viele Menschen bereitstellen, wenn

sie jetzt knapp 16 Millionen nicht versorgen kann? Viel Wasser könnten die Mexikaner - wie andere auch - wiedergewinnen, wenn sie die enormen Verluste durch Leitungsschäden verringern.

Die Welt bekam eine Vorstellung von drohenden Katastrophen, als im Jahr 1991 in Peru eine Choleraepidemie ausbrach, die einigen tausend Menschen das Leben gekostet hat. Die Seuche brach in einem Armenviertel der Hauptstadt Lima aus. Schuld war die schlechte Wasserversorgung und die fehlende Kanalisation. Waren erst „nur" Armenviertel betroffen, erreichte die Seuche bald auch die wohlhabenderen Stadtteile von Lima. Auch Fischerei und Tourismus erlitten innerhalb kürzester Zeit Milliardenverluste.

Ähnliche Probleme wie Mexiko-Stadt und Lima haben viele große Städte: Kinderreiche Familien und massive Zuwanderung lassen die Metropolen immer weiter und immer schneller wachsen. In vier Jahren, so die Prognosen, wird fast die Hälfte aller Menschen in großen Städten leben; in 30 Jahren werden zwei Drittel von dann 8,3 Milliarden Menschen in Städten leben. Die Stadtverwaltungen können schon heute die Grundversorgung nicht herstellen. Meist funktioniert diese nur für die wohlhabenden Viertel. Wie aber der Fall von Lima zeigt, betreffen die Probleme über kurz oder lang die ganze Bevölkerung.

Doch nicht genug mit Seuchen und wirtschaftlichen De-sastern: „Durst kann eine tödliche Waffe sein",

schrieb Ameur Zemmali (Internationales Komitee vom Boten Kreuz). Immer wieder wurde „mit , Wasser" gekämpft, indem die Belagerer einer Stadt das Wasser abdrehten. Zuletzt sperrten die bosnischen Serben Sarajewo die Wasserzufuhr.

Experten der UNO und der Weltbank warnen schon länger vor möglichen Kriegen um Wasser (siehe FURCHE 19). Boutros Boutros Ghali, Generalsekretär der UNO, sagte noch als ägyptischer Außenminister: „Der nächste Nahostkrieg wird ein Krieg um Wasser" (siehe auch Seite 12).

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