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Schmutzwasser frei Haus

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Wasser ist für die Entfaltung jedes Lebens nötig. Je stärker die Bevölkerung wächst, desto mehr Wasser braucht sie, desto mehr Abfälle entstehen aber auch und werden ins Wasser geworfen.

Wien gewinnt 40 Prozent seines Trinkwassers aus Quellen, 60 Prozent aus dem Grundwasser. Zu diesem Zwecke wurde unter anderem das Wienerwaldgebiet ins Auge gefaßt. Beinahe wäre dieser Plan vereitelt worden. Man plante nämlich, an Stelle von Laubwald, der wirtschaftlich unrentabel ist, Nadelkulturen zu pflanzen. Um die unliebsamen Laubbäume zu vernichten, wollte man sie mit Gift bestreichen. Wäre dieser Plan verwirklicht worden, hätte man sich die Möglichkeit genommen, Trinkwasser zu gewinnen, das von den Bäumen in den Boden abgegebene Harz hätte das Grundwasser ungenießbar gemacht. Das Wasser muß gefiltert und entkeimt werden. Der erfolgreichste Weg, allerdings auch der teuerste, ist die Ozonierung, sie tötet in kürzester Zeit alle Keime ab. Langsamer und nicht so gründlich arbeitet Chlor, doch ist es wesentlich billiger. Häusliche Abwässer sind meist organischen Ursprungs, können also auf natürlichem Weg verarbeitet und abgebaut werden. Ein ernstes Problem bilden die Waschmittel, die kaum aus dem Wasser zu entfernen sind, von den Organismen nicht verwertet werden können, das Wasser „entspannen“ und Sauerstoff verzehren. Diese „harten Detergenzien“ bilden oft riesige Schaumpolster auf der Wasseroberfläche. „Weiche Detergenzien“, die leicht abgebaut werden können, sind bekannt, aber teuer. Viel gefährlicher sind anorganische Industrieabwässer die meist schwere Gifte enthalten, bei der Klärung entsteht im Klärbecken oder in der Entgiftungsanlage ein Rückstand. Eine schlammige, breiige Masse, die von Zeit zu Zeit entfernt werden muß. Ein bekannter österreichischer chemischer Betrieb warf diese Rückstände, samt allen Giften und schädlichen Stoffen, nach der Reinigung der Behälter einfach in den Fluß. Ein Blick auf die Gewässergütekarte der österreichischen Flüsse zeigt, wie es steht. Die March hat nur noch Güteklasse vier (schlechteste Stufe), Ursache sind die Abwässer der Zuk-kerindustrie. Auch in der Nähe von Graz, in der Mur, ist der höchste Grad der Verschmutzung erreicht. Hier sind es meist häusliche Abwässer, die den Fluß so stark belasten, daß er seine Selbstreinigungskraft verloren hat. Nicht viel besser steht es um Leitha (Papierverarbeitung), Traun und Ager (chemische Industrie, Metallverarbeitung) und um die Donau bei Wien. Mediziner meinen, daß man auf das Bad in der Donau besser verzichten sollte. Andere große Flüsse Europas sehen noch trostloser aus. Oder und Weichsel sind so verschmutzt, daß deren Wasser dreimal gereinigt werden muß, ehe es in die Häuser geleitet werden kann. Viele Polen, die an diesen Flüssen leben, trinken überhaupt kein nicht abgekochtes Wasser.

Im Rhein gab es 1917 noch vierzig Fischarten. Heute ist er biologisch tot, man spricht von der „Kloake Europas“. Streckenweise ist an Stelle von Wasser eine bräunliche, stinkende Brühe zu sehen, aus der blubbernd Gasblasen hochsteigen. Pro Tag trägt dieser Strom ins Meer: 37.000 Tonnen Detergenzien, 37 Tonnen Phosphor, 95 Tonnen Eisenverbindungen, 120.000 Tonnen öle, 120 Millionen Kubikmeter Abwässer. Auch Kraftwerke und Staudämme können großen Schaden anrichten. Besonders die Atomkraftwerke heizen das Wasser auf, greifen in den Wärmehaushalt der Natur ein und können klimatische Veränderungen bewirken. Flußregulierungen führten zur Austrocknung der Umgebung durch Senkung des Grundwasserspiegels.

Um das endgültige Sterben unserer Flüsse zu verhindern, gibt es die Möglichkeit, Abwässer nicht einfach fortzuschütten, sondern nochmals in den Arbeitsgang einzuspannen. Auf diese Weise kann die Industrie sogar viel Geld sparen, indem sie ihr Nutzwasser mehrmals verwendet. Um die Flüsse völlig gesunden zu lassen, müssen wir dennoch Milliarden Sehilling aufwenden, eine Investition, die aber uns allen zugute kommt.

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