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Demokratisierung ohne Peronismus ausgeschlossen
Der argentinische Präsident Generalleutnant Jorge Videla erklärte in einem Interview mit der Zeitung „darin”, er wolle zu einer Regierungsform übergehen, in der sich die militärischen und die zivilen Kräfte die Macht teilten, um so den typischen Ablauf der argentinischen Herrschaftszyklen zu beenden. In ihnen werden abwechselnd schwache Militärregierungen von aufstrebenden Volksparteien, oder lahme zivile Regime von den Streitkräften gestürzt
Aber die Wege, um zu diesem Ziel zu gelangen, sind heute noch dunkler als sie es beim Sturz von Isabelita Perön im März 1976 waren. Der verschleierte Bürgerkrieg hat zwar zu einer weitgehenden Dezimierung der linksrevolutionären Kräfte geführt aber es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht schwere Attentate gegen Einheiten und Offiziere des Heeres oder der Polizei, und an dem nicht umgekehrt Gewaltakte gegen Linksrevolutionäre gemeldet werden. Der Innenminister General Albano Harguindeguy erklärte, daß er die subversiven Kräfte von rechts für ebenso gefährlich halte wie die von links. Bei anderer Gelegenheit sagte er, daß sich bei einer Krankheit Gegenkörper bildeten, die, wenn der Bazillus ausgemerzt sei, verschwänden. Aber die Tatsache, daß die angebliche Verfolgung rechtsextremistischer „Rächer” niemals veröffentlicht wird, muß den Verdacht, die Menschenrechte würden von den Staatskräften immer wieder verletzt, wachhalten. So erregte es Aufsehen, daß die (der Militärregierung mit Kritik, aber wohlwollend gegenüberstehende) Zeitung „La Opiniön” zwei Tage lang verboten wurde. Es verlautete, sie habe einen Artikel des Jesuitenpaters Vicente Pellegrini wiedergegeben, in dem zu lesen gestanden habe, „Familien, die … mit Sympathie die Machtergreifung durch die Militärs begrüßt haben, müssen sich gegen den Machtmißbrauch wenden, wenn sie annehmen, daß die Militärregierung … Gruppen nicht kontrolliert, die sich in ihrem Schatten gebildet haben, um Gerechtigkeit auf “eigene Faust zu üben.”
Des weiteren hat sich ein schwerer Konflikt zwischen der Regierung und den Gewerkschaften der Staatsangestellten ergeben. Um das alarmierende Defizit des Staatshaushaltes zu mindern, wurde die Arbeitszeit für die 500.000 Staatsangestellten von 6 auf 7 Stunden täglich (unter gleichzeitiger Erhöhung der Bezüge verlängert) und die Einziehung der Gewerkschaftsbeiträge durch die Unternehmer ebenso gestrichen wie die Entlohnung von Gewerkschaftsführern ohne Arbeitsleistung. Dagegen protestieren die Gewerkschaften vorläufig mit Sitzstreiks. Die Inflation, die im Vorjahr 347 Prozent betrug, droht heuer 185 Prozent zu erreichen. Da die Löhne nur um einen kleinen Bruchteil dieser Spanne erhöht werden, nimmt die soziale Spannung in alarmierendem Maße zu. Trotzdem die Ineffizienž und die Korruption des peronisti- schen Regimes evident waren, hat der Peronismus doch keineswegs ausge- Spielt Die Gewerkschaften haben ein Memorandum vorgelegt, in dem sie die Wiedierbelebung ihrer (fehlgeschlagenen) Wirtschaftspolitik verlangen. Es ist bezeichnend, daß wenige Monate nach dem Sturz Isabelitas die Masse auf den Fußballplätzen Spott- verse singt, deren Refrain lautet: „Que vuelvan los ladrohes” - „Die Räuber mögen wiederkehren!” Der Militärregierung ist wohl auch klar, daß eine Demokratisierung unter völliger Ausschaltung des Peronismus ausgeschlossen ist Ihr Ziel ist es lediglich, die links revolutionären und marxistischen Elemente aus der vielschichtigen Peronistenpartei zu eliminieren. Paradoxerweise nützt der nordamerikanische Druck zwecks Durchsetzung der Menschenrechte und Rückkehr zur Demokratie der Regierung in ihrem Verhältnis zu den Peronisten. Die Zeitung „La Naciön” meldete, daß der Repräsentant des Washingtoner State Department, Charles Bray, mit führenden Peronisten gesprochen und sie nach ihrer Reaktion im Falle eines zunehmenden nordamerikanischen Druckes gefragt habe. Sie sollen geantwortet haben, daß sie in einem solchen Falle auf seiten der Militärregierune stehen müßten.
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