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Spesen, schlechte Presse

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Die XXI. Olympiade hat Kanada — so schätzt die „Toronto-Dominion-Banik“ — mindestens 500 Millionen Dollar eingebracht. Der „Goldene Strom“ ergoß sich zum überwiegenden Teil nach Quebec. Trotzdem gingen auch in der Belle Province die hochgespannten Erwartungen nur zum Teil in Erfüllung. Noch am Vortag des Beginns der Olympischen Spiele erschienen in Torontoer Zeitungen Inserate, in denen Hotelzimmer mit 10 Prozent Rabatt offeriert wurden. Typisch für die Stimmung in Hotelierkreisen waren die Worte eines Sprechers der „Holiday Inns“: „Das Geschäft ist gut — aber auch nicht besser als sonst.“ Ein Zeitungsbericht konstatierte sachlich: „Die großzügigen Spendierer blieben aus.“ Was den Konkurrenzkampf weiter verschärfen wird, ist die Tatsache, daß nach Jahresbeginn 1977 weitere erstrangige Hotels mit 3500 Zimmern eröffnet werden sollen. Arbeitskonflikte verhinderten ihre zeitgerechte Fertigstellung.

Die maßgebenden Männer in Quebec waren sehr darauf bedacht, die Welt wissen zu lassen, daß die Olympiade in dem vorwiegend franzö-sischsprachiigen Quebec stattfinde und nur nebenbei auch in Kanada.

In der Nachbarprovinz Ontario hatte man gehofft, daß der Tourismus auch von dem Zustrom der Olympiadebesueher nach Montreal profitieren werde. Es kam anders. Ontarios Industrie- und Tourismusminister Claude Benhett bekannte freimütig, daß die Erwartungen nicht in Erfüllung gegangen seien.

Die Rivalität zwischen Toronto und Montreal führt dazu, daß in der Metropole am Ontariosee immer dann ein bemerkenswertes Projekt lanciert wird, wenn in Montreal eine Weltausstellung oder gar Olympische Spiele stattfinden. So wurde wenige Tage vor der Olympiade in Toronto der höchste, freistehende Bau der Erde eröffnet. Der 550 Meter hohe Turm, der Canadian National Tower, kostete die staatliche Eisenbahngesellschaft immerhin 57 Millionen Dollar.

Der politische „Eiertanz“ des Premierministers Pierre Trudeau, der den Auszug von Taiwans 42 Athleten erzwang, löste nicht nur in den USA und in Europa, sondern auch in Kanada scharfe Kritik aus. Typisch dafür war ein Bericht aus Kopenhagen: „Die Olympiade hat Kanada viel Publicity gebracht: sie ist ausnahmslos sohlecht.“ Wie weit Trudeaus Entscheidung von kommerziellen Gesichtspunkten beeinflußt wurde, ist eine Sache der Spekulation. Tatsächlich aber wunde in der kanadischen Presse erwähnt, daß die Exporte nach China im Vorjahr auf fast 350 Millionen Dollar geklettert waren. Die Ausfuhr nach Taiwan hatte jedoch nur den Wert von 33 Millionen Dollar.

Zu den hohen Besuchern, die eine Einiladung nach Montreal ablehnten, gehörte auch Henry Kissinger. Trudeaus „Olympiadepolitik“ sagte ihm verständlicherweise nicht au. Allerdings war die Olympiade nicht einmal bei allen Montrealern populär. Schon vor dem Beginn der Olympiade ergab die Meinungsforschung, daß nur 27 Prozent der Befragten für Trudeau waren. Noch profitiert der Regierungschef vom Fehlen einer überzeugenden Alternative. Joe Clark, dem jungen Führer der Konservativen Partei, ist es bis jetzt nicht gelungen, sich durchzusetzen.

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