Das Vexierbild, das die österreichische Bundesverfassung nach einer Beschreibung des Verfassungsrechtlers Manfried Welan in bezug auf das Amt des Bundespräsidenten darstellt, wird vom aktuellen Bundespräsidenten, der gern Staatschef sein möchte, arg strapaziert: Alle Macht geht vom Präsidenten aus. Der Präsident vertritt sein Volk nach außen und regiert es letztlich nach innen, alles andere ist Delegation.
Übertreibung? Letztlich könnte das Szenario so aussehen: falls Regierung oder Regierungschef die vom Präsidenten für sich in Anspruch genommenen weit ausgelegten Kompetenzen, die ihm die Verfassung zugesteht, in konkreten Fällen (wie jetzt bei der Frage, wer Österreich auf Korfu und später „fallweise” im Europäischen Rat vertritt) mit guten Gründen nicht gestattet, könnte sich der Mann in der Hofburg mit einer Verweigerungshaltung bei Gesetzesunterzeichnungen und Ernennungen rächen. Klestil wäre damit zwar nicht auf dem Weg zu einem starken Präsidenten ä la Mitterrand, der tatsächlich auch Vorsitzender des Ministerrats ist, aber mit Polens Lech Walesa, dem „Monsieur Veto”, könnte er bald gleichziehen.
Das Waldheim-Trauma, unter dem Klestil offenbar leidet, obwohl er die damalige Isolation des Bundespräsidenten doch durchbrochen hat, wird mit überbordender Selbstdarstellungssucht zum Schäden Österreichs kompensiert. Klestil hat seinerzeit als Generalsekretär im Außenamt via Journalisten hinter mehr oder minder vorgehaltener Hand heftig die internationale Ächtung seines Vorgängers kritisiert und über den dadurch der Republik entstandenen Schaden geklagt. Wer sagt ihm heute, daß seine Haltung, in entscheidenden Augenblicken nicht integrativ, sondern aufgrund seiner fehlenden moralischen Autorität sprengend zu wirken, mit Sicherheit ein falscher Weg ist?
Nach den jüngsten Äußerungen aus der Hofburg scheint der Bundespräsident einzulenken: mitregieren will er nicht (dafür besitzt er aber wirklich keine Kompetenz) - nach der peinlichen Auseinandersetzung vor dem Korfu-Gipfel eine notwendige, wenn auch späte Einsicht. Macht braucht tatsächlich Kontrolle. Klestil aber auch.
