In Deutschland steht ein Umschwung bevor, denn der Schwung der Deutschlandpolitik ist weg. Die Pleite der DDR läßt keinen schnellen Aufschwung erwarten und die großdeutsche Einheits-Euphorie befindet sich in rasantem Abschwung.
In Ost- wie in Westeuropa ' hat man das noch kaum gemerkt. Die lieben Nachbarn schauen schließlich nicht dem Volk aufs Maul, sondern allenfalls unseren Politikern. Die reißen es ja schließlich auch am weitesten auf. Manch einer hat wie ich den Zustrom von DDR-Flüchtlingen seit letztem Sommer mit Sorge und Mißtrauen begleitet. Aber nicht aus Neid, sondern weil man leicht vorhersehen konnte, daß das in Westdeutschland nicht lange gut gehen kann. So ein Stimmungsbremser wie ich war noch vor kurzem ein unpatriotischer Einheits-Muffel, undeutscher Vaterlandsverräter und Versager vor der deutschen Geschichte.
Inzwischen hat die Stimmung in der Bevölkerung umgeschlagen. Nur noch „Bild" und die übrige Springerpresse jubeln ihre Einheits-Hysterie hemmungslos über die erschreckt eingezogenen Köpfe der Bevölkerung hinweg.
Nun möchte ich nicht behaupten, daß die Westdeutschen, erst recht die Bayern nicht hilfsbereit und opferfreudigwären. Aber die Hilfsbereitschaft hört in unserer Bevölkerung schnell auf, wenn sie merkt, daß sie nur von Schnorrerkönigen ausgenutzt wird.
In ihrer großen Mehrheit fallen die „Zonis" nämlich dadurch auf, daß sie sich nicht nach harter Arbeit und leistungsgerechtem Lohn sehnen, sondern nach schnellem Konsum, sozialer Bevorzugung, unverschämten Ansprüchen und großzügiger Unterstützung.
Gleichzeitig tut die Regierung der DDR samt ihrem runden Tisch im Hintergrund keinen ernsthaften Handgriff, um das Konkurssystem abzuschaffen und die gesetzlichen Grundlagen für eine soziale Marktwirtschaft zu legen. Man sagt in Ost-Berlin nur kurz und bündig: Bitte keine Bevormundung aus dem Westen, sondern einfach mal 15 Milliarden D-Mark rüber-schütten in unser Faß ohne Boden!
Unsere Politiker in der Bundesrepublik denken inzwischen mit verteilten Rollen darüber nach, wer die Kosten tragen soll, um den DDR-Karren Wiederaus dem Dreck zu ziehen. Der eine denkt an Steuererhöhung, der andere an Notgroschen, der eine denkt an Lastenausgleich, der andere an Lohnverzicht. Und wer im Herbst verspricht, daß er die deutsche Einheit kräftig bremst, der wird unser nächster Bundeskanzler.