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Von Jörg Haider zu Alfons Haider

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Ganz scheint Heide Schmidt von Haider doch nicht loszukommen: denn nach ihrem großen Auftritt bei der Gründungsversammlung des Liberalen Forum am Dienstag vergangener Woche im Palais Ferstel überreichte ihr zwar nicht Jörg Haider, aber immerhin auch ein Haider, der bekannte Schauspieler und Publikumsliebling Alfons H., einen Blumenstrauß, während ihr ihr ehemaliger Parteiobmann zu diesem Anlaß höchstens einen Strauß von Disteln verehrt hätte.

Alfons Haider übertrifft seinen politischen Namensvetter zwar an Schönheit, aber keineswegs an Persönlichkeit und Durchschlagskraft, so gut er als Schauspieler auch sein mag. Denn Jörg Haider ist zwar, wie übrigens alle Politiker von Statur, auch, aber nicht nur ein Schauspieler, sondern vor allem ein dominierendes politisches Phänomen.

Gerade darin aber dürfte -jenseits aller echten und vorgespielten Begründungen - der psychologische Konflikt zwischen den beiden nunmehr getrennten, ja zu Gegenspielern gewordenen Partnern liegen: Heide Schmidt ist selbst eine dominierende Persönlichkeit und hat es satt gehabt, sich beherrschen zu lassen, während ihr in der von ihr gegründeten Partei die Rolle der tonangebenden Domina sicher ist. Sie hat quasi einen symbolisch anmutenden Männertausch vorgenommen und den Typus eines hingebungsvollen Verehrers an die Stelle eines strengen Herrn und

Meisters gesetzt.

Man sollte den hochdramatischen und für die Innenpolitik so bedeutsamen Konflikt zwischen Schmidt und Haider aber nicht auf das psychologische Moment, das sicher einen größeren Stellenwert einnimmt als beide zugeben, reduzieren. Denn die Motive der Handelnden, die -wie meistens so auch in diesem Falle - ein Gemisch von fragwürdigen und ehrenwerten sind, sagen noch gar nichts über die objektive Funktion und Bedeutung dieses Prozesses aus, diese Qualitäten emanzipieren sich sehr schnell von den ursprünglichen Antrieben der Akteure und nehmen Eigengewicht an.

Im konkreten Fall bedeutet dies: entspricht der Schritt, den Heide Schmidt und ihre Mitstreiter gesetzt haben, einem in der Gesellschaft vorhandenden Bedürfnis, füllt ihre Initiative eine echte Lücke im österreichischen Parteiensystem aus, so wird diese Partei wachsen und die politische Landschaft nicht nur bereichern, sondern entscheidend verändern. Handelt es sich hingegen bloß um die Flucht nach vorne, die einige frustrierte Politiker der FPÖ angetreten haben, um aus der Not eine Tugend zu machen, wird die Bewegung schnell versanden und verebben.

Die nächsten Monate werden darüber entscheiden, ob es sich bei dem von Schmidt und Mitstreitern entfachten Feuer um ein Strohfeuer, oder um einen Dauerbrenner oder gar einen Flächenbrand handelt.

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