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Weltgeschichte(n)

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Während einer Fernsehdiskussion erklärte Präsident Ford, Osteuropa stehe keinesfalls unter sowjetischer Vorherrschaft, und solange er, Ford, Präsident der USA sei, werde es dazu auch nicht kommen.

Schon am nächsten Tag läutete das an den berühmten „heißen Draht''' angeschlossene Telephon auf dem Schreibtisch des Präsidenten.

„Hello“, sagte eine Stimme, „ich bim, es, Breschnjew. Da haben Sie sich ja eine Ungeheuerlichkeit geleistet! Ich weise Ihre gestrigen Äußerungen als diffamierende Herabsetzung der Stärke der Roten Armee energisch zurück! Daß wir nicht einmal die Vorherrschaft über Osteuropa haben, ist eine infame Unterstellung!“

„Um Gottes Willen, so war das doch nicht gemeint“, rief Ford verzweifelt „wenn Sie mich zu Wort kommen lassen, will ich dieses bedauerliche Mißverständnis gerne aufklären!“

„Da bin ich aber neugierig“, brummte Breschnjew.

„Sie sind doch auch für Koedukation, Verzeihung, eh, ich meine natürlich Koexistenz?“ stotterte Ford.

„Kommen Sie nicht vom Thema ab“, sagte Breschnjew unwillig.

„Ich spreche doch von Helsinki!“ sagte Ford.

„Geht es um die paar lächerlichen, unbedeutenden Zugeständnisse, dit Sie uns dort gemacht haben?“ sagte Breschnjew.

„Ja“, sagte Ford, „Sie haben keine Ahnung, wie übertrieben das alles jetzt dargestellt wird! Und ich wollte doch nichts anderes, als dem amerikanischen Volk erklären, daß ich es gut gemeint und daß ich Ihnen vertraut habe und daß ich auch keineswegs so dumm bin, mich übers Ohr hauen zu lassen. Ich wollte nur herausstreichen, daß Sie ein fairer Vertragspartner sind, und daher habe ich erklärt, daß Sie keine Vorherrschaft über Osteuropa haben.“

„Trotzdem war es eine Taktlosigkeit“, sagte Breschnjew, „haben Sie denn nicht überlegt, wie ich jetzt vor der Welt dastehe?“

„Als Demokrat“, sagte Ford.

„Das ist ja die Katastrophe“, sagte Breschnjew.

„Ein Demokrat ist hoch angesehen“, sagte Ford.

„Aber nur im Westen“, sagte Breschnjew, „und wie stehe ich vor der Dritten Welt da? Als Weichling, der nicht einmal seinen Nachbarn den Stiefel ins Genick zu setzen wagt, als Dummkopf, der unfähig ist, den Präsidenten der USA zu betrügen! Haben Sie überhaupt nicht an mein Image gedacht?“

„Es tut mir ja so leid“, sagte Ford, „wie könnte man den Schaden reparieren?“

„Sie haben“, sagte Breschnjew, „ja selbst erklärt, daß Osteuropa nicht unter unserer Vorherrschaft steht, sehen aber doch hoffentlich ein, daß wir auf diese Vorherrschaft nicht verzichten können?“

„Als Privatmann kann ich das bejahen, als Präsident müßte ich zuerst darüber nachdenken“, sagte Ford.

„Lassen Sie uns also nachdenken“, sagte Breschnjew, „wie wir diese Vorherrschaft realisieren könnten!“

„Aber Sie Iraben sie doch, Sie haben sie doch, ich versichere Ihnen, Sie haben sie doch!“ stammelte Ford.

„Und wie machen wir es der Welt wieder klar?“ sagte Breschnjew, „Herr Ford, ich denke an zwei Millionen Mann Sowjettruppen, die morgen in Warschau, Budapest, Ost-*berlin und Prag sein könnten. Ich muß Sie nur dringend bitten, im amerikanischen Fernsehen zu erklären, ich sei ein Tyrann, ein Diktator und knute den ganzen Osten Europas. Und, bitte — vergessen Sie nicht, auch zu sagen, ich hätte Sie in Helsinki schmählich betrogen!“

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