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Wirft man Kräutler vor, was der Kirche frommt?

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Bis vor kurzem war der Vorarlberger Erwin Kräutler, seit 1981 Bischof der flächenmäßig größten brasilianischen Diözese Xingu, hierzulande vergleichsweise wenigen ein Begriff. Die Auseinandersetzungen um ihn - und nicht mit ihm - haben ihn in wenigen Wochen in seiner alten Heimat schlagartig bekannt gemacht. Und damit auch seine Mission, sein Anliegen. Insofern hat die Kontroverse, deren Ausgangspunkt die Ausladung Kräutlers als Festredner bei den Salzburger Hochschulwochen war, auch ihre - damit wohl nicht beabsichtigte - positive Seite.

Woraus wirklich die „Einseitigkeit" und „Linksla-stigkeit" Kräutlers und seiner Theologie abgeleitet werden könnte, wurde bisher auch mit Verve von jenen verschwiegen, die das als „Feststellung eines nachprüfbaren Faktums" behaupten. Kräutler lebt vielmehr das, was Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Sollicitudo Rei Socialis" ausdrücklich betont hat: „Wenn sich die Kirche für die .Entwicklung der Völker' einsetzt, kann ihr nicht vorgeworfen werden, daß sie ihren eigenen Kompetenzbereich überschreitet, und noch viel weniger, daß sie vom Auftrag, den sie vom Herrn erhalten hat, abweicht." Ein klares Wort. Was wird dann Bischof Kräutler vorgeworfen?

Zwei Vorhaltungen liegen in der Luft. Erstens die von Kräutler geäußerte Meinung, daß die Kirche nicht frei von Verantwortung für die Unterwerfung und Unterdrückung der Indianer sei, sein das Gewissen aufrüttelnder Verweis auf die Gewalt und das Leid, das ihnen zugefügt wurde, verbunden mit der physischen und kulturellen Zerstörung ihrer Stämme, mit dem Ziel, über ihren Lebensraum verfügen zu können. Zweitens sein Eintreten für die Armen aus der Überzeugung heraus, daß in dem Maß, in dem die Indianervölker Brasiliens wieder eine Perspektive für Überleben, für Würde und Hoffnung, also für das Reich Gottes sehen, auch die anderen - die Landlosen, die Bauern, die Arbeiter, die Straßenkinder - einen Weg der Hoffnung finden. Und daran nimmt man Anstoß?

Für sein Engagement wurde Kräutler verprügelt, bedroht, ist bei einem mysteriösen „Autounfall" gerade noch mit dem Leben davongekommen. Auf der „schwarzen Liste" der Todesschwadronen steht er auch ohne hiesiges Auf- oder Abwiegeln, das augenmaßlose Dimensionen angenommen hat. Da verliert ein in die Jahre gekommener Schauspieler die Herrschaft über sich und seine Worte und flegelt in blinder Wut den Salzburger Erzbischof an, dort sagt ein Bischof Volksvertretern, die nicht mehr als einen besorgten offenen Brief schreiben, mehr Hinterhältigkeit nach als gedungenen Killern, die meuchlings morden.

Krude Worte. Ein „Reden von Gott" (Theologie), mit dessen indianischen Ebenbildern Kräutler Leben, Glaube, Hoffnung und Liebe teilt? Ohne Liebe tönt „dröhnendes Erz, eine lärmende Pauke" (Paulus).

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