Die ersten Opfer des Staudamms Belo Monte

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Im Februar haben die Bauarbeiten am drittgrößten Staudamm der Welt begonnen. Am Rio Xingu kämpfen Bauern und Indigene verzweifelt gegen das Projekt an. Ein Geschädigter berichtet.

Wenn der große Damm gebaut und alle Bewohner vertrieben sein werden, werden am Xingu 500 Quadratkilometer Regenwald geflutet sein, eine Fläche so groß wie der Bodensee. Das ist der Plan des Projektes "Belo Monte“. Dafür müssen nach offiziellen Angaben 20.000 Menschen umgesiedelt werden u.a. Kleinbauern aus anderen Regionen Brasiliens, über die niemand spricht und die keine Lobby haben.

Der Kakaobauer Sebastião Pereira dos Santos, Eigentümer von zwei Grundstücken in der Nähe der Insel Pimentel am Rio Xingu, wo die Baustellen für den Staudamm Belo Monte errichtet werden, wurde zum ersten Opfer des Megaprojektes: Die Norte Energia S.A. (das Konsortium wird vom führenden brasilianischen Versorger Eletrobras angeführt) enteignete ihn und forderte ihn zum Verlassen des Grundstückes auf. Das Paar mit seinen vier Kindern hat es vor 8 Jahre erworben und viel daraus gemacht. Pereira pflanzte Kakao, Palmen, Bananen und andere Produkte wie Papaya, Ananas oder Maniok.

Streit um Entschädigung

Die Vertreter von Norte Energia hätten ihm zunächst mündlich eine große Summe als Entschädigung versprochen. Doch als der Vertrag zu unterschreiben war, lautete die Entschädigung plötzlich nur ein Viertel der versprochenen Summe. Begründet wurde das damit, dass nicht jene vom Kakao-Sekretariat empfohlenen Kakaosorten verwendet wurden. "Das klingt nach Menschenverachtung. Wir haben viel gearbeitet, die Erträge stimmen, nur sie wollen uns nicht angemessene Preise zahlen. Mit dieser Entschädigung können wir nichts anfangen“, klagte Sebastian.

Sebastião blieb trotz Drohungen auf seinem Land und arbeitete auf den Plantagen. Im September 2011 waren Teile dieser Plantagen zerstört und seine Arbeitshütte angezündet worden.

Dennoch verließ Sebastião sein Land nicht. Seine Frau und vier Kinder wohnten unterdessen in Altamira, Bischofssitz der Prälatur vom Xingu und Wohnort von Bischof Erwin Kräutler.

In der letzten Woche im Februar 2012 erhielt Sebastião von Norte Energia S.A. die Aufforderung, das Grundstück binnen 72 Stunden zu räumen. Am 27. Februar wurde er auf den Weg zu seinen Plantagen von Sicherheitskräften aufgehalten. Securities drohten ihn zu erschießen, falls er nicht umkehrte. Sebastião setzte mutig seinen Weg quer durch den Wald fort. Er war gerade mit der Kakaoernte beschäftigt, als etwa 20 Bulldozer anrückten und Bäume niederschoben. Alle Kakaopflanzen und Obstbäume wurden zerstört.

Vor den Baggern gingen mehrere bewaffnete Männer. "Sie kamen direkt auf mich zu, mit ihren Gewehren, und dahinter die Bulldozer. Was sollte ich tun? Ich musste die Flucht ergreifen, um mein Leben zu retten!“, sagte er. Versteckt hinter Bäumen sah er wie die Bagger sein Lebenswerk zerstörten.

Sebastião floh vor den bewaffneten Männern in den benachbarten Wald, wo er sich fünf Tage lang versteckte. Dann ging er zu Fuß zur Transamazônica-Straße und fuhr per Anhalter nach Altamira.

"Sie haben zwar meinen Kakao zerstört. Aber ich werde dennoch zurückkehren und die übrigen Kakaobohnen ernten, die dort sind, solange ich keine Entschädigung für meine Arbeit erhalten habe“, stellte der mutige Bauer fest.

Der Belo Monte-Staudamm im Herzen Brasiliens ist wohl die umstrittenste Baustelle der Welt: Es wäre das drittgrößte jemals errichtete Wasserkraftwerk. Wissenschaftler warnen vor den ökologischen Folgen. Bischof Erwin Kräutler spricht von einem "Monument des Wahnsinns“.

Besonders hart trifft es die Ureinwohner des Amazonas. Denn der Rio Xingu, der gestaut werden soll, ist die Lebensader für viele Indianervölker im Regenwald. Dieser fast 2000 Kilometer lange Seitenarm des Amazonas ist eines der letzten intakten Flusssysteme Brasiliens. "Frühere Staudammprojekte in Brasilien machen die katastrophalen Wirkungen von Belo Monte absehbar: Etwa 20.000 Menschen in den Bezirken Altamira, Vitória do Xingú und Brasil Novo würden ihre Heimat verlieren“, betont Wolfgang Heindl, Projektreferent von "SEI SO FREI“, der entwicklungspolitischen Aktion der Katholischen Männerbewegung, die seit vielen Jahren Kräutler in seinem Einsatz für Indios und Umwelt unterstützt.

Die Welt der indigenen Völker, der Kayapó, Juruna oder Arara ist durch und durch vom Fluss geprägt. Die Indios, die am Amazonas-Zufluss Xingú leben, sind nun aber massiv vom Bau des Staudamms betroffen. Durch Umleitungen werden Dörfer vom Fluss abgeschnitten, anderen droht mit dem Stausee die Überflutung.

Selbst Teile der Bischofstadt Altamira würden unter Wasser gesetzt werden. Bischof Erwin Kräutler kämpft für die Indios und ihre Rechte. Dafür wurde er unter anderem mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. "Seit 30 Jahren kämpfen wir gegen Belo Monte“, erklärt Kräutler, der bereits 1988 von SEI SO FREI mit dem Romero-Preis geehrt wurde. "Es ist ein Stich ins Herz Amazoniens. Die reiche Tier- und Pflanzenwelt erleidet enormen Schaden.“

Baustopp durch Behörden

Nach einem gerichtlich verhängten Baustopp von Belo Monte im Herbst letzten Jahres, fahren inzwischen wieder die Baumaschinen auf. Aber auch die Proteste dagegen gehen weiter. Erst kürzlich hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) das Projekt scharf kritisiert. Die brasilianische Regierung ignoriert den Widerstand der Indios und kommt nicht einmal der Verpflichtung, die vom Staudamm betroffenen Indio-Völker anzuhören, nach.

Die ILO stärkt die kritische Position der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS): Die Kommission für Menschenrechte der OAS fordert seit einem Jahr den sofortigen Baustopp, da über die Köpfe der betroffenen Indios hinweg über deren Land und Heimat entschieden wird. "Ich weiß, dass die befreiende Dimension des Evangeliums ein Dorn im Auge der Mächtigen ist. Aber mit der Unterstützung aus Österreich werden wir weiterkämpfen“, betont ein motivierter Bischof Kräutler.

KMB

Der Autor ist Sprecher der Katholischen Männerbewegung, die sich intensiv für die Rechte der indigenen Völker Südamerikas engagiert und Bischof Kräutler unterstützt.

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