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Bedrohte Völker

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Der Leidensweg der indianischen Völker Lateinamerikas nimmt seit dem Eindringen der Europäer in ihr Land vor beinahe 500 Jahren kein Ende. Durch die von profitgierigen wirtschaftlichen Interessengruppen wie Banken initiierte und vom Staat auf Grund der Finanzkraft dieser Unternehmen geduldete oder gar geförderte Ausbeutung der Rohstoffe und Bodenschätze sowie durch die damit einhergehende Zerstörung der Natur wird der Lebensraum der Indianer bedroht.

Da im Amazonasraum jährlich mehr als 20 Millionen Hektar tropischer Regenwald gerodet werden, sind von den sieben Millionen Quadratkilometern dieser Vegetationszone bereits mehr als ein Drittel für immer verschwunden. Gegen die überaus verantwortungslose Ausrottung des so vielfältigen Ökosystems des Urwaldes führen die Indianer einen energischen Kampf.

„Die Rodung des Urwaldes ist nur ein Problem. Das Wichtigste sind die Menschen, die in und von diesem Urwald leben”, betonte Pater Angelo Pansa aus Brasilien in einem Gespräch mit der FURCHE während der vor kurzem in Wien stattgefundenen internationalen Amazonas-Konferenz.

Vertreter der betroffenen Völker des Amazonasgebietes und anderer Indianergruppen aus Nordamerika und von den Philip-, pinen fanden sich mit Repräsentanten von Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen sowie mit Vertretern der Kirche zusammen, um über die „Zukunft von Mensch und Umwelt im Amazonasgebiet” zu diskutieren und gemeinsam Strategien zur Bekämpfung des Raubbaus an der Natur und der Mißachtung der Menschenrechte auszuarbeiten.

Für viele Stammesvertreter war dies eine einmalige Gelegenheit, ihre Probleme zum Ausdruck zu bringen, da sie in ihrer Heimat von Militärdiktaturen nicht gehört werden.

Rosa Zurita, eine Vertreterin der Mapuche-Indianer aus Chile, die zur Vorsitzenden der Wiener Amazonas-Konferenz gewählt wurde, sprach mit der FURCHE über durch eine unmenschliche Verfassung legitimierte Zwangsumsiedlungen von Völkern, „die Projekten des internationalen Kapitals im Wege stehen”. Der Bau eines Stausees, der nach seiner Fertigstellung den Lebensraum eines Indianerstammes überschwemmen würde, ist nur „einer von vielen Gewaltakten dieser Art”.

Die Ureinwohner Lateinamerikas werden, in Militärdiktaturen wie Chile genauso wie in sogenannten Demokratien wie Brasilien, nie nach ihrer Meinung gefragt. Denn ihre Rechte sind in den einzelnen Verfassungen kaum oder gar nicht verankert. Wer es dennoch wagt, seinen Mißmut zu äußern, wird verfolgt, gefoltert und ermordet.

Rosa Zurita ist sich des Risikos bewußt, das sie mit der Teilnahme an dieser Konferenz einging. „Wenn ich nach Hause komme, werde ich sicher Probleme mit der Polizei bekommen”, sagt sie verbittert, läßt sich aber in ihrem Engagement nicht bremsen.

Auch Vertreter der Kirche, die sich für die Indianer engagieren, bleiben vom Staat nicht verschont. Viele Patres wurden an der Seite der bedrohten Völker von „Handlangern imperialistischer Ausbeuter” (Zurita) ermordet. Der Staat breitet darüber den Mantel des Schweigens.

Pater Pansa sprach beispielsweise von einem „korrupten Staat Brasilien”, weil er, „vom Kapital bestochen”, der Ausrottung der indianischen Minderheiten nicht Einhalt gebiete. Er verhindere vielmehr eine Organisation der Indianervölker durch Militärkontrolle unter dem Deckmantel der sogenannten „Doktrin der nationalen Sicherheit”. Besonders bedauernswert sei — so Pansa —, daß sich Vertreter der Kirche in diesen Regionen nicht selten an die Seite der Mächtigen stellen.

Carlos Macedo, Organisator der „Gesellschaft für bedrohte Völker”, die die Wiener Konferenz veranstaltete, wünscht sich intensivere außenpolitische Interventionen der österreichischen Bundesregierung. In einer Resolution der Teilnehmer an dieser Konferenz wurde diese Forderung auch verankert. Sie fand auch in einem von Macedo als Aktionsplan bezeichneten Konzept ihren Niederschlag.

Der erste Schritt soll ein Gespräch beim österreichischen Finanzminister sein, um ihn um eine Vorsprache bei der Weltbank zu bitten. Daneben werden, so Macedo, Mahn-Aktionen zum 12. Oktober anlaufen, der in Lateinamerika von den Mächtigen als Tag der Eroberung gefeiert wird. Schließlich sollen auch eine weltweite Informationslobby und ein Dokumentationszentrum über Indianervölker geschaffen werden, um etwa die Ausrottung des Amazonasurwaldes auf der Grundlage konkreter Informationen verurteilen zu können.

Durch eine Aufklärungskampagne auf internationaler Ebene will man auf die Ursachen und Auswirkungen der Rodungen aufmerksam machen. Denn die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt stirbt aus, ehe die Welt sie überhaupt kennengelernt hat.

Nimmt die Entwaldung mit der bisherigen Geschwindigkeit zu, so wird der Wald bereits in 13 Jahren verschwunden sein, mit unabsehbaren klimatischen Folgen für die Welt.

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