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Zwei Hektar Wald pro Minute

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In Kanada fallen jede Minute zwei Hektar Wald unter den Kettensägen, in Rußland sind es gar vier Hektar pro Minute. Osterreich sägt kräftig mit.

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In Kanada fallen jede Minute zwei Hektar Wald unter den Kettensägen, in Rußland sind es gar vier Hektar pro Minute. Osterreich sägt kräftig mit.

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Die Urwälder des nördlichen Nadelwald-Gürtels verschwinden in ähnlichem Tempo wie der tropische Regenwald. Hauptursachen: Holzschlägerungen, Waldbrände, Förderung von Erdöl und Erdgas sowie große Staudämme. Dramatisch sind nicht nur die Folgen für Tier- und Pflanzenarten und die Urbevölkerung, sondern auch für das globale Klima. Denn die nördlichen Urwälder speichern gewaltige Mengen von Kohlenstoff.

In Kanada fallen jede Minute zwei Hektar Wald unter den Kettensägen, in Rußland sind es gar vier Hektar pro Minute. „Die Kahlschläge sind bis zu 400 Hektar groß. Die schweren Forstmaschinen machen die Landschaft zur Wüste", berichtet der sibirische Forstexperte Andrej Laietin. „Bei den Schlägerungen werden in ganz Rußland 200.000 Strafgefangene unter menschenrechtswidrigen Umständen als Zwangsarbeiter eingesetzt." Zehntausende Quadratkilometer der russischen Taiga werden jedes Jahr zudem durch Brände beziehungsweise Öl- und Gasförderung vernichtet. Nicht nur die Nadelwälder der

Taiga sind betroffen: In Kanadas Westprovinz British Columbia finden sich auch die letzten ausgedehnten nicht-tropischen Regenwälder. Besonders eindrucksvoll ist der Urwald im Clayoquot Sound auf Van-couver Island: Dort stehen zahlreiche 1.000 Jahre alte Bäume - Zedern, Sitkafichten und Hemlock -, die einen Durchmesser von zehn Metern und eine Höhe von 95 Metern erreichen können. Im April 1993 hat die Regierung von British Columbia zwei Drittel des Gebiets zur Schlägerung freigegeben, gegen den Willen der fünf in dem Gebiet lebenden Indianerstämme.

Die Firmen MacMillan Bloedel und Interfor dürfen nun zusammen jährlich drei Millionen Kubikmeter Holz Schlägern. Die Regierung von British Columbia ist Hauptaktionär von MacMillan.Bloedel - und wurde das pikanterweise erst kurze Zeit vor ihrem eigenen Beschluß, der Firma die Schlägerung des Gebiets zu erlauben.

Seit Juli blockieren nun Umweltschützer die Zufahrtsstraßen in den Clayoquot Sound. Bis heute ist es dort schon zu 800 Festnahmen gekommen. 44 der friedlichen Demonstranten wurden Anfang Oktober wegen Mißachtung einer gerichtlichen Verfügung zu mehrwöchigen Haftstrafen verurteilt, darunter eine 72jährige Großmutter.

Endstation der gefällten Baumriesen ist die Holz- und Zellstoffindustrie. Österreich importierte 1992

17.000 Kubikmeter Holz und 86.000 Tonnen Zellstoff aus Kanada, ein Großteil davon aus British Columbia. Auch sonst ist der österreichische Anteil an der Zerstörung der kanadischen und russischen Urwälder überproportional groß, belegt eine kürzlich fertiggestellte Studie der Um-weltorganisation Greenpeace. Demnach ist Österreich - mit mehr als 300.000 Kubikmetern jährlich, vermutlich aber weit mehr, rechnet man die Umwegimporte mit ein — achtgrößter Importeur von Holz und Holzprodukten aus Rußland. Das Holz wird hier zu Möbeln oder Papier verarbeitet oder als Schnittholz gewinnbringend weiterexportiert.

Über 20 österreichische Firmen importieren Holz aus der russischen Taiga. Einige Unternehmen sind mit Gemeinschaftsunternehmen sogar direkt an Holzschlägerungen in Rußland beteiligt. Österreich ist gefordert, Maßnahmen gegen die Zerstörung der nördlichen Urwaldgebiete zu setzen. Der erste Schritt wäre eine Ursprungsbezeichnung für alle Holzprodukte, Importstop für Holz aus Raubbau und ein Ende der Beteiligung österreichischer Firmen und Gelder an umweltzerstörenden Projekten.

Dar Autor ist Regenwaldexperte

bei Greenpeace.

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