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Kindesweglegung Brahms9 in der Musikmetropole Wien

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Ich habe mich aufgemacht, ich wohne hier... und kann meinen Wein trinken, wo ihn Beethoven getrunken hat!” Johannes Brahms, der sich oftmals zu Wien als seiner musikalischen Heimat bekannt hat, droht posthum eine Kindesweglegung.

„Wir sind daran, den Komponisten Brahms, der uns in die Wiege gelegt wurde, wieder aus ihr herauszuwerfen”, sagt Otto Biba, Leiter des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde Wien.

Als Hüter des Brahms-Nachlasses liegt ihm die Aufarbeitung und weitere Forschung am Herzen. Traditionellerweise begeht die Gesellschaft runde Geburts- und Todestage mit einem internationalen Kongreß. 1997 jährt sich der Todestag Brahms' zum 100. Mal. Unglücklicherweise zugleich mit Schuberts 200. Geburtstag.

Und weil das offizielle Österreich - der Subventionsgeber Wissenschaftsministerium - sich mit seiner Musiktradition finanziell überfordert sieht, wurde für das „teure” Doppeljubiläumsjahr 1997 die Weisung ausgegeben, Schubert mit einem Kongreß zu feiern, Brahms hingegen nicht.

Die Begründung, Brahms sei gebürtiger Hamburger, mag Biba nicht gelten lassen. „Wir können uns die Blamage nicht leisten”, bangt er patriotisch ums Image der österreichischen Musikwissenschaft. Sei schon die neue Brahmsausgabe in den Händen eines deutschen Verlages, hätte die verpaßte Gelegenheit, sich 1997 erneut als Zentrum und Koordinationsstelle internationaler Brahms-Forschung zu etablieren, fatale Folgen: nicht nur für das Archiv der Gesellschaft, sondern auch für die kleineren Brahms-Pflege-stätten, die sich - von Pörtschach bis Mürzzuschlag - pädagogisch und wissenschaftlich für Brahms einsetzen.

Was gibt es eigentlich an einem Komponisten zu erforschen, der jetzt schon Rückgrat des Musikrepertoires klassischer Konzertveranstalter ist? „Unsere Konzertprogramme lassen viele Werke aus: Duette, Quartette und andere Gesänge, die Bearbeitungen Brahms' für seine Symphonien so wie große Teile seiner Kammermusik. Erkenntnisse über die damalige Aufführungspraxis könnten unser Musikleben bereichern, beispielsweise die Vorstellung neuer Werke in privaten mriusikalischen Salons.”

Ein Rettungsanker - für einen durchaus publikumswirksamen Kongreß - bietet jetzt Gmunden an, in dessen Umkreis - dem Salzkammergut und besonders in Bad Ischl - Brahms sich aufgehalten hat.

Das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde würde Personal- und Sachleistungen einbringen, das Land Oberösterreich einen Teil der Kosten. Trotzdem appelliert Otto Biba an die ministerielle Unterstützung: „Es ist bereits fünf vor zwölf.”

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