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Backhaus, Karajan und die Musici

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In einem von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstalteten Brahms-Gedächtniskonzert kam es zum Zusammenwirken zweier der bedeutendsten Interpreten unserer Zeit mit einem hervorragenden Orchester: Wilhelm Backhaus spielte, von Herbert von Karajan begleitet, das 2. Konzert für Klavier und Orchester, B-Dur von Brahms. Von allen Pianisten seiner Generation hat Wilhelm Backhaus vielleicht die leichteste Hand. Sein Anschlag wurde mit zunehmenden Jahren immer klarer, geistiger, immaterieller. Diese Art „verfremdet“ die Musik vo Brahms zwar ein wenig (die durchaus kräftigere Farben und schwerere, ja sogar auch schwerfälligere Akzente vertragen kann), hebt sie aber in eine Geistregion, wo nur noch das reine Spiel der Gedanken und abgeklärten Empfindungen herrscht. Karajan hat im allgemeinen die Tendenz, das blankgeschliffene Detail hervorzuheben. Er tat es auch als „Begleiter“ des Brahms-Konzertes, aber im ganzen war das Zusammenwirken doch recht harmonisch — in jeder Hinsicht. Die Wiener Symphoniker ließen sich in bester Form bewundern. Sie haben ja, ebenso wie der Dirigent, viel mehr als eine Begleitung, sondern eher eine vier- sätzige Symphonie mit Soloklavier zu exekutieren. Übrigens war das Programm dieser Brahms-Feier in seiner Konzentration musterhaft: das 2. Klavierkonzert und die IV. Symphonie wurden gespielt. Sonst nichts. Jedes Mehr wäre überflüssig gewesen. Lebhafter und langanhaltender Beifall, auch für das Orchester.

Die „Musici di Roma“, in Wien bereits bestrenommiert, spielten im überfüllten Mozart-Saal des Konzerthauses Streichermusiken von Scarlatti, Bonporti und Mozart sowie das Doppelkonzert d-moll für zwei Violinen von Bach und das Cellokonzert D-Dur von Haydn. Die hohe technische Qualität dieser elf Streicher und der Cembalistin, ihr homogener Ton und ihr exaktes Musizieren wurden, auch an dieser Stelle, wiederholt gerühmt. Das Merkwürdigste aber ist vielleicht, daß, wenn man die Musici di Roma alte Meister spielen hört, wohl niemandem einfällt, daß es heftige Kontroversen über den Vortragsstil, die Aufführungspraxis, die Klangfarbe, die Dynamik, kurzum über alles gibt, was eine Partitur zur Musik macht. Man denkt auch nicht mehr an die deutsche Collegia musica und ihre Ableger in anderen Ländern, wo alte Musik „stilvoll" — respektlose Leute sagen: auf vegetarische Art — dargeboten wird usw. Diese zwölf Italiener spielen die Kompositionen der alten Meister als schöne, wohlklingende Musik, ohne Wenn und Aber, und befolgen damit den Rat eines erfahrenen Musikpraktikers, der einmal sagte, man müsse, damit die beste Wirkung erzielt wird, alte Musik so spielen, als sei sie von heute — und neue Musik, als sei sie von einem Klassiker.

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