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Backhaus und Scherchen im Musikverein
Einer seiner Biographen schrieb vor kurzem, Wilhelm Backhaus sei eigentlich kein Pianist, technische Probleme und Moden interessieren ihn nicht; Backhaus interpretiere Beethovens Ideen mit Hilfe des Klaviers. (Die Parallele zu Furtwängler liegt nahe und stimmt in allen wesentlichen Punkten; nur war dessen „Instrument“ das Orchester.) Aber der Beethoven, den Backhaus spielt, ist nicht immer der gleiche. Ununterbrochen arbeitet der über 70jährige und modelliert das „Beethovensche“ immer reiner und klarer heraus. Man bewundert das ebensosehr wie die Technik dieses großen Pianisten, die durch das Alter nicht nur nicht gelitten hat, sondern immer vollkommener wird Im ausverkauften Großen Musikvereinssaal spielte Wilhelm Backhaus drei Beethoven-Sonaten (op. 28, D-Dur, op. 81, Es-Dur und op. 110, As-Dur). Der erste Teil des Programms war Mozart gewidmet (Rondo a-Moll, Sonaten in C-Dur und in c-Moll), und hier war das Erstaunliche, wie stilecht auch die Mozart-Interpretation von Backhaus ist. Wer einmal die große c-Moll-Sonate von Mozart gespielt hat, weiß, wie groß die Versuchung Ist, sie mit beethovenschem Pathos vorzutragen — und zumindest stilistisch zu verfälschen. In der Interpretation von Backhaus ist auch bei diesem Werk jeder Takt — von Mozart. Das Publikum wußte die großartige, einmalige Kunst von Wilhelm Backhaus zu würdigen.
Als Leiter des 5. Konzertes im Zyklus „D i e große Symphonie“ sprang für den erkrankten Joseph Krips Hermann Scherchen ein. „Don Juan“ von Richard Strauß haben wir wohl noch nie so laut und heftig gehört: als Porträt eines bedenkenlosen Gewalttäters und; Totschlägers, dessen ■Lyrismen in Scherchens Interpretation etwas Hintergründiges und Gleisnerisches erhalten. Mozarts einundzwanzigstes und letztes Klavierkonzert in B-Dur mit seinen elegischen Molltrübungen spielte Wilhelm Backhaus mit edlem Ausdruck. — In Schuberts großer C-Dur-Symphonie Nr 7 (in Wirklichkeit der zehnten, die zu Lebzeiten des Meisters nie aufgeführt wurde) war alles Rhythmische etwas überakzentuiert und die dynamischen Kontraste verschärft. Aber welche peinliche Genauigkeit im Detail und welche großzügig-eindrucksvolle Gestaltung des. WerkesI Nur Laien haben sich vielleicht gewundert, daß Scherchen, dieser Pionier der neuen Musik, auch klassische Werke so überzeugend (und auswendig I) dirigieren kann.
In dieser Spielzeit veranstalteten die Tonkünstler wieder zwölf ordentliche Sonntagnachmittagskonzerte im großen Musikvereinssaal — und etwa die zehnfache Anzahl in Niederösterreich. Das Konzert unter der disziplinierten Leitung Hans S W a-r o w s k y si zeichnete sich dureb. ein besonders interessantes Programm aus. Nach der Orchestersuite aus dem Ballett „Nobilissima Visione“, in dessen Mittelpunkt die Gestalt des hl. Franz von Assisi steht und das seinerzeit auch in der Volksoper gegeben wurde,' spielte Hedi Gigler virtuos und mit männlichem Ausdruck das Violinkonzert von Brahms. Den zweiten Teil bildete die zu Unrecht Vernachlässigte IV. Symphonie von Dvorak. Das Orchester hatte einen besonders guten Tag. Ebenso interessant war das Programm des letzten Sonntagnächmittags* konzertes der Tonkünstler mit Werken Von Cesar Franck, Gershwin und Kodaly.
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