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Romantik, Barock und Brasilien

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In besonderem Maße hat Wilhelm Backhaus diesmal Robert Schumann in den Mittelpunkt seiner Interpretation gestellt. An seinem Soloabend blühte die Franz Liszt gewidmete Fantasie C-dur, op. 17, wie eine kostbare Blume unter seinen Händen auf, kaum je in dieser Vielfalt des Ausdrucks und dieser Innigkeit vernommen, obgleich die formale und architektonische Komponente, aller Vergleitung fern, bewußt straff und bestimmt nachgezogen erschien. Der „leise Ton für den, der heimlich lauschet", -wie es in dem Motto von Fr. Schlegel heißt, das Hintergründige, die singende Seele entkjang der vollkommensten Form als ihre gleichzeitige Ueberwindung. Und dennoch war der zweite, Beethoven gewidmete Teil des Abends, das stärkere Erlebnis, von der stärkeren Persönlichkeit erfüllt, auch dort, wo das romantische Hineinhorchen nicht völlig die heimliche Größe erreichte und der Idyllisierung zuneigte, der sie allerdings nicht verfiel. Man kann Beethoven anders interpretieren als Backhaus, unmittelbarer, menschlich echter kaum. — Im Orchesterkonzert unter Volkmar Andreae spielte Backhaus Schumanns Klavierkonzert op. 54 und profilierte den anderen Zug Schumanns, den des Baumeisters der großen Form und der glänzenden Farben, der gebändigten Leidenschaft und der virtuosen Technik, die übrigens auch hier ausschließlich der seelischen Aussage dient und nicht in einer einzigen Note um ihrer selbst willen da ist. Das Unerreichte in Backhaus’ Spiel ist es, niemals ein Stück, sondern immer einen Komponisten zu interpretieren, und dies mit somnambuler Sicherheit.

Irgendwie möchte man ein gleiches über den jungen Bariton Dietrich Fischer-Dieskau sagen, den wir als einen der ganz großen Schubert- Interpreten kennen und.der uns auch diesmal das Erlebnis der „W i n t e r r e i s e" (mit Jörg Demus am Klavier) in schlechthin vollendeter Art schenkte. Neu für Wien aber -war seine Interpretation Bachscher Solokantaten („Ich hab’ genug” und „Ich will den Kreuzstab gerne tragen"). Abgesehen davon, daß seine biegsame und allen Intentionen willig gehorchende Stimme in der Tiefe an Substanz verliert, blieb auch hier kein Wunsch offen. Der Bachsche Gesangstil, um den viele große Sänger sich umsonst bemühen, fällt ihm mühelos zu, und die freudige, ja ekstatische Todesbereitschaft, die den Inhalt dieser Kantaten bildet, kann kaum verhaltener, echter und überzeugender ausgedrückt werden. — Die beiden Werke metaphysischer Versenkung waren eingerahmt von zwei Händelschen Concerti gross i, Kompositionen weltlichen Glanzes und doch des gleichen Stiles, Hochbarock ir seiner Weite nach innen und außen, ein geistiges Weltbild längst verlorener Herrlichkeit und Kraft, prachtvoll musiziert unter Anton Heillers Leitung vom Kammerorchester der Wiener Konzerthausgesellschaft. Der junge Dirigent erweist sich immer stärker als der Repräsentant eines kompromißlosen, unbedingt geistig profilierten, fast sakralen Musizierwillens, der sich erfreulicherweise dort und da beglückend meldet und eine genüßliche Und musikindustrialisierte Welt wieder zum inneren, zum künstlerischen Erlebnis führen kann. Prof. Franz Krieg

Der brasilianische Dirigent Eleazar de C a r-

v al h o leitete ein öffentliches Rot-Weiß-Rot- Konzert der Wiener Philharmoniker mit einem von der Schablone abweichenden und hochinstruktiven Programm. Camargo M. Guarnieri, 1907 in Brasilien geboren, formt in seiner 2. Symphonie drei plastische, klanglich robuste und wirkungsvolle Sätze, deren Melodien von der heimatlichen Folklore des Komponisten inspiriert sind. — Das Poema sinfonico „M a d o n a" von Heitor Villa-Lobös (der, wie man im Programm lesen kann, „nicht nur mit Recht der Musikheros seines Landes geworden, sondern ein musikalisches Phänomen an sich" ist, und der seinem Heimatland in einem Werk „ein Monumentaldenkmal geschenkt hat”) ist in einem Stil geschrieben, den man als Indianerbarock bezeichnen körinte. — Der Meister der impressionistischen Einkleidung hispanisierender Melodien ist Manuel de Falla, dessert Suite aus „El a m o r b r u j o" („Der Liebeszauber") einen wirkungsvollen und gewissermaßen normativen Abschluß dieses interessanten Konzertes bildete.

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