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Man spricht von Mariazell

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Es heißt, daß dort, wo das Heilige sich in besonderer Weise manifestiert, auch der Teufel nicht untätig bleibt, daß der große Durcheinanderwerfer und Durcheinanderbringer der Dinge und der Menschen den heiligen Bezirk um Andachts- und Wallfahrtsstätten nicht schont. Aber es ist eine alte Geschichte auch, daß er dabei meist nur das Gegenteil erreicht, daß er zwar stets das Böse will, daß dadurch aber auch oft das Gute geschaffen wird.

Mariazell ist wieder einmal im Gerede. Jenes Mariazell, an dem die Österreicher hängen, wie kaum an einem zweiten Wallfahrtsort in Österreich. Die geistige Betreuung in Mariazell liegt in den Händen eines Bene-diktinerpriorates. Dieses Benediktiner-priorat hat, wie auch manche Benediktinerstifte, gewisse personelle Schwierigkeiten, und da wäre, so heißt es zumindest, der Gedanke aufgetaucht, diese Sorgen und auch manche andere, vor allem finanzielle — die dauernde Instandhaltung der großen Basilika kostet natürlich immer wieder Geld — mit einem Schlage damit zu beheben, daß man Mariazell der Obhut ausländischer Mönche anvertraut, einem Orden, von dem man annimmt, daß er sowohl genug Ordensleute als auch genug Geld hat. Und das sind nach allgemeiner österreichischer Vorstellung die Deutschen.

Der Gedanke ist nicht neu. Schon vor zwei Jahren, hieß es, sollen ähnliche Erwägungen in Betracht gezogen worden sein. Wenn überhaupt jemals an diesem Plan etwas dran war, jedenfalls wurde er niemals durchgeführt. Die österreichischen Benediktinerstifte haben ihre gewiß nicht geringen eigenen Sorgen, aber sie haben es als ihre selbstverständliche Ehrenpflicht betrachtet, einem österreichischen Prio-rat ihres Ordens beizuspringen. Es wird jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr viel dran sein. Und wenn es gewisse Sorgen in Mariazell gibt, wie gesagt, wo gibt es keine Sorgen, dann werden die österreichischen Benediktinerstifte jene beschämen, die meinen, diese Benediktinerstifte hätten ihre vielhundertjährige Tradition in diesem Lande, ihre österreichische, religiöse und kulturelle Verpflichtung vergessen, wenn es darum geht, einem, nein, dem österreichischen nationalen Heiligtum hilfreich beizuspringen. Gewiß, man kann Nationalheiligtümer als etwas anachronistisches betrachten, Gott und die Heilige Jungfrau lassen sich nicht mit nationalen Etiketten versehen. Aber wenn man schon die Muttergottes von Mariazell als die „Magna Mater Austriae“, als die große Mutter Österreichs und nicht nur des heutigen kleinen, sondern auch des vergangenen großen preist, wenn man schon immer vom österreichischen Nationalheiligtum Mariazell spricht, und das tut man doch, dann kann man dieses Mariazell nicht gleichzeitig einem ausländischen Kloster zur „Neubesiedlung“ übergeben.

Das möchte ihm halt so passen, dem Durcheinanderbringer und Durcheinanderwerfer, aber er wird — davon sind wir alle überzeugt — auch diesmal kein Glück haben.

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