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Module und Galaxien im Kirchenfenster

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Dem neugotischen Linzer Dom hat Karl-Martin Hartmann mit seinen zwölf Glasfenstern die kühle Strenge genommen.

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Dem neugotischen Linzer Dom hat Karl-Martin Hartmann mit seinen zwölf Glasfenstern die kühle Strenge genommen.

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Echte Kunst verträgt sich zumeist, auch wenn sie in verschiedenen Epochen geschaffen wurde. Das vermutlich jüngste Beispiel sind die vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit vorgestellten Fenster im Kapellenkranz des Maria- Empfängnis-Domes in Linz.

Nahezu ein halbes Jahrhundert waren die gegen Ende des Krieges zerstörten Fenster provisorisch mit nichtssagenden Scheiben verglast. Als an der vor siebzig Jahren geweihten neugotischen Kathedrale verschiedene Restaurierungsarbeiten notwendig wurden, beschloß man, die zwölf Kapellenfenster’ in die Neugestaltung einzubeziehen. Man fand es wenig sinnvoll, die vorhandenen Kartons der alten Fenster aufs neue zu realisieren, künstlerische und theologische Bedenken sprachen dagegen. Die historischen Fenster waren Zeichen eines Selbstverständnisses der Kirche, das durch das Zweite Vatikanische Konzil Korrekturen erfuhr. Neue, der Zeit gemäße Glasfenster sollten entstehen.

Entwürfe, die Karl-Martin Hartmann, ein Glaskünstler aus Wiesbaden von internationalem Rang, für die Dome von Bamberg, Regensburg und Speyer geschaffen hatte, haben Experten und zuständige diözesane Gremien dermaßen überzeugt, daß auf eine Ausschreibung verzichtet und Hartmann die Gestaltung der Linzer Fenster anvertraut wurde.

Der 1948 geborene Künstler war zunächst Mikrobiologe, studierte dann am Städel-Institut in Frankfurt und spezialisierte sich auf die Gestaltung von Kirchenfenstem; „Der Satz ,Hier ist gut sein“ war für mich Maß- stab bei den Entwurfsarbeiten. Mit einer warmen Farbgebung schaffe ich eine einbindende Situation und nehme dem neugotischen Raum seine kühle Strenge.“

Wo wir an die Grenzen des eigenen Daseins und an die Grenzen des Erfahrbaren von Raum und Zeit stoßen, stellt sich die Frage nach Gott: Das ist der geistige Hintergrund dieser aus kleinteiligen, mit dem Computer errechneten Modulen, aus Elementen der Kem- und Astrophysik, aus radioteleskopischen Darstellungen von Galaxien zusammengesetzten Kosmogonie in Hartmanns Fenstern. Einmal hat Hartmann eine Figur eingebracht: den Christus von Mantegna, verwandelt in Lineaturen aus der Terminologie von Mikro- und Makrokosmos. Die Fenster drängen sich mit ihren eher verhaltenen Farben nicht vor.

Die Gesamtkosten von etwas mehr als sieben Millionen Schilling sollen großteils durch Spenden und durch Stiftungen gedeckt werden. Vier der Fenster haben bereits Stifter gefunden - zum Preis vpn je 400.000 Schilling. Bis zu vier Sponsoren können sich an einer Stiftung beteiligen.

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