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Der Josephinismus

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Das 1944 in erster Auflage erschienene Werk von Valjavec liegt nunmehr in einer Fassung vor, in der Text und Anmerkungsapparat wesentlich erweitert, auch einige durch die schwierigen Arbeitsverhältnisse bedingte Unstimmigkeiten der Erstauflage beseitigt sind.

Im Gegensatz zu Eduard Winter, der in einem umfangreicheren Werk namentlich die „reformkatholischen“ Bestrebungen der jose-phinischen Bewegung, den Josephinismus im engeren Sinne, behandelt und sich mit ihnen durchaus einverstanden erklärt hatte, legt Valjavec den Nachdruck auf die allgemein geistesgeschichtliche und die Staats- und nationalpolitische Bedeutung des Josephinismus. Sah man bisher in diesem gewissermaßen die offiziell-österreichische Spielart der Aufklärung, so definiert ihn der Verfasser vorsichtiger all „Ergebnis mehrerer geistesgeschichtlicher Entwicklungsreihen, vor allem aber das allmählich in Erscheinung tretende Ergebnis von Bestrebungen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen den alten Anschauungen auf politischem und kulturellem Gebiet und ... dem Geist der Aufklärung sowie den Tendezen der Säkularisierung auf der anderen Seite“.

Winter beschränkte sich fast ausschließlich auf böhmische Quellen, dagegen bebandelt Valjavec tunlich die gesamte HabsburgeTmon-archie, wobei er magyarische und deutsch-ungarische Gewährsmänner besonders berücksichtigt. Das gedruckte Material ist offensichtlich mit möglichster Vollständigkeit erfaßt, während die Archivarbeit zum Großteil erst geleistet werden muß. Die Kriegs- und Nachkriegsverluste des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, namentlich eines Großteils der Staatsratsakten, haben inzwischen allerdings unersetzliche Quellenbestände dezimiert. Für die Quellenbenützung von Valjavec ist sonst noch die Vorliebe für das literarische, viel weniger für das legislative und administrative Schrifttum charakteristisch. Die „öffentliche Meinung“, der publizistische Kampf der Josephi-ner und ihrer konservativen Gegenspieler, kommt so gut zur Geltung, wir erhalten ein gutes Bild der schon recht beträchtlichen Breitenwirkung der ideologischen Auseinandersetzungen. Dabei verfolgt Valjavec die Uberlieferung josephinischen Gedankengutes bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, berücksichtigt gewissenhaft weltanschauliche Ubergangsformen und Umbildungserscheinungen.

Viel weniger als über Kundgebungen und Auswirkungen des Josephinismus erfahren wir über Ursprung und Urheber, Die Vorliebe des Autors für die Alltagspublizistik rächt sich hier. Die außerordentliche Bedeutung etwa des Staatskanzlers Kaunitz im staatskirchlichen System des Josephinismus ist nicht einmal angedeutet. Hier wird erst die bevorstehende Veröffentlichung von Ferdinand M a a ß die notwendige Klärung bringen.

Zweifellos Ist es indessen gar nicht möglich, alle Probleme, die das historische Phänomen des Josephinäsmus der Wissenschaft stellt, in einer Arbeit zu lösen. Es ist das unbestreitbare Verdienst von Valjavec, die Grenzen großzügig abgesteckt und eine wahre Fülle von Anregungen gegeben zu haben.

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