Die Schweiz unser Nachbar

„Die Geschichte verleiht einem Volk das klare Bewußtsein dafür, daß seine Gegenwart das Erzeugnis der Vergangenheit ist und daß Vergangenheit und Gegenwart zusammen einen Einfluß auf die Zukunft haben. Der Zusammenklang dieser drei verschiedenen inhaltschweren Zeitbegriffe macht die Geschichte aus.“ Diesen Satz stellt der Schweizer Historiker Peter Dürrenmatt der neuen Auflage seiner „Schweizer Geschichte“ voran. Die Schweiz — unser Nachbar, oft und gern zitiertes Vorbild in außen- und wehrpolitischer Hinsicht: mit der Kenntnis der Geschichte unseres Nachbarlandes dagegen sieht es traurig aus. Rütlischwur, Wilhelm Teil — das höchstens verbindet auch der sonst durchaus Gebildete hierzulande mit dem Begriff Eidgenossenschaft.

Dürrenmatt — Historiker, Journalist und Politiker — hat es meisterhaft verstanden, sein Werk voll Anschaulichkeit und unmittelbarer Lebendigkeit zu gestalten. Natürlich wollte der Autor kein wissenschaftliches Werk schaffen (der wissenschaftliche Apparat fehlt), doch zeugt die Darstellung der Geschehnisse und Zusammenhänge von einer außergewöhnlichen Sachkenntnis. Weit genug gespannt ist der Bogen, den die „Schweizer Geschichte“ Dürrenmatts umfaßt, reicht er doch von der kaiserlosen Zeit vor der Gründung der Eidgenossenschaft bis in die neueste Gegenwart. Mit bemerkenswerter Objektivität wird die geschichtliche Entwicklung der Schweiz im Lichte der großen welthistorischen Zusammenhänge dargestellt.

Besonders fesselnd sind die Kapitel über die jüngste Schweizer Geschichte: Als Nationalrat und Chefredakteur der „Baseler Nachrichten“ verfügt Dürrenmatt auch über den nötigen Überblick über das politische Geschehen, um dessen Verlauf bis in die neueste Zeit zu verfolgen und zu schildern.

Die Bedeutung des Werkes liegt aber nicht nur im Text; eine große Anzahl ausgezeichneter Bilder ergänzt die Schilderung auf das vortrefflichste. So bildet Dürrenmatts „Schweizer Geschichte“ eine überaus gelungene Verbindung von Text und Bild und stellt dadurch das Muster eines im besten Sinne des Wortes „volkstümlichen“ Geschichtsbuches dar.

Ein ausführliches Personen-, Sach- und Ortsregister ist an den Schluß des Bandes gestellt, der in dieser Form ein geradezu ideales Muster für eine Neuauflage von Zöllners „Österreichischer Geschichte“ darstellt.