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Faszination des Grauens

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Haut um Haut! Alles, was der Mensch besitzt, gibt er hin für sein Leben." Diese Worte aus dem Buch Hiob sind der Ausgangspunkt für Hannes Turbas „Zyklus gegen Gewalt", der derzeit auf dem Stephansplatz nächst dem Singertor zu sehen ist.

Eine Messingplatte von Hackenhieben „verletzt", durchdrungen von Spitzen, die sich auf den Betrachter richten, Metallblech als Symbol für die menschliche Haut, aber auch im weiteren Sinne für die geschundene, aufgerissene Erde oder Stacheldraht an einem anderen Belief, der Machtausübung, Freiheitsentzug und Verletzung symbolisiert, sind nur einige Beispiele für Hannes Turbas Arbeiten.

Ein Künstler kann Ausübung von Gewalt zwar nicht verhindern, er könne aber Aufmerksamkeit erregen, Fragen aufwerfen, wie der Präsident des Künstlerhauses Peter Kodera zum Thema „Kunst und Gewalt" meinte.

Die künstlerische Gestaltung von Gewaltszenen geht stets mit einem hohen Maß an Ästhetisierung des Dargestellten einher. Der Künstler muß zu solchen Mitteln greifen, um dem Betrachter die Auseinandersetzung mit seinem Werk zu ermöglichen. Geht nicht irgendeine Ästhetik, und sei es die Faszination des Grauens, von einem Werk aus, erscheint das Ziel verfehlt.

In der Ikonographie wurde dem Opfer stets der untere Teil des Kunstwerks zugewiesen, ihm war die Horizontale vorbehalten, während der Täter über ihm in der Vertikalen dargestellt wurde. Dazwischen markierte der leere Raum Distanz. Die dominierende Position des Täters, des Siegers, wies diesen als Ordnungshüter aus, während der Unterlegene als der unschädlich gemachte Außenseiter galt.

In der Moderne verschiebt sich die Perspektive: das Opfer befindet sich nicht mehr unten, sondern rückt nun in die Nähe des Betrachters.

Die „Verklärung" von Aggressionsdarstellungen und deren Auswirkungen auf das Opfer kann jedoch nur zum Teil Aussage eines Kunstwerks sein. Bereiche, die mit Gewalt unmittelbar verbunden sind, wie etwa ökonomische, politische, religiöse und sexuelle, in denen Macht und Gewalt ausgeübt werden können, werden oft zu Themen künstlerischer Auseinandersetzung.

Hannes Turba will die den Reliefs zugrunde liegenden Texte nur als Ansatzpunkt für eine universellere Betrachtungsweise verstanden wissen. Er sieht die Hoffnung des gequälten Menschen in der Verteidigung des Glaubens, also in letzter Konsequenz in der Verteidigung seiner selbst als Reaktion auf äußere Gewalteinwirkung. Turba wolle „ein Zeichen setzen für mehr Toleranz, mehr Menschlichkeit, Zusammengehörigkeit und Verständnis gegenüber Andersdenkenden". (Bis 15. April)

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