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Maltas rote Freunde

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Im Palast der Großmeister in Valetta, wo das Parlament Maltas zusammentritt, hängt ein Porträt Katharinas dar Großen von Rußland. Dieses Bild zusammen mit einem schmeichelnden Brief, schickte die Zarin persönlich an den Herrscher Maltas mit der Bitte, russischen Marineoffizieren zu gestatten, Ausbilderposten in der maltesischen Marine zu bekleiden. Das war im Jahre 1769.

Diplomatische Offensive

Als der sowjetische Botschafter für Malta, Smirnowski — der nicht auf der Insel residiert —, Anfang Juni mit dam Auftrag, das Ersuchen seiner Regierung um die Einrichtung einer sowjetischen Botschaft in Valetta vorzubringen, nach Malta reiste, erklärte er Berichten zufolge, er prüfe die Möglichkeit, sowjetische Handelsschiffe in den Trockendocks Maltas reparieren zu lassen, keine Kriegsschiffe, wie er ausdrücklich betonte. Die sowjetische Regierung habe niemals darum gebeten, daß russische Kriegsschiffe Malta besuchen könnten. Dies ist natürlich das heikelste politische Thema im Mittelmeerraum, seit die Präsenz der sowjetischen Marine hier verstärkt worden ist, und man könnte von

jedem sowjetischen Botschafter erwarten, daß er unter solchen Umständen Befürchtungen zerstreuen würde. Smirnowski führte den Maltesern jedoch, so schonend und humorvoll er konnte, die harten Tatsachen vor Augen. Die sowjetischen Kriegsschiffe, so sagte er, seien zuverlässig und brauchten nicht in Häfen repariert zu werden, und man solle sich hüten, die Leistungsfähigkeit der sowjetischen Marine zu unterschätzen.

Gegenpol zur NATO

All dies hat Malta im Lauf seiner Geschichte schon oft gehört. Auf Grund seiner strategischen Lage im Mittelmeer hat die Insel eine außergewöhnlich bedeutende Rolle in der Geschichte Südeuropas und Nordafrikas gespielt. 160 Jahre lang basierte ihre Wirtschaft und ihr allgemeines Wohlergehen auf den Verteidigungserford e rn is s en Großbritanniens. Dann folgte 1964 die Un-abhängigkeitserklärung und gleichzeitig Großbritanniens Truppenreduzierungen in den überseeischen Gebieten. Dennoch blieb Malta das Hauptquartier des am weitesten südlich gelegenen Marinekommandos der NATO. 1967 wurde der Posten

des britischen Oberbefehlshabers Alliierte Streitkräfte Mittelmeer aufgegeben; statt dessen wurde das Hauptquartier Alliierte Seestreitkräfte Südeuropa einem italienischen Admiral unterstellt. Dann brach der arabisch-israelische Krieg aus, wodurch noch mehr russische Kriegsschiffe ins Mittelmeer kamen. Inzwischen ist die Südflanke der NATO verstärkt worden; ein neues Luit-aufklärungskommando für das Mittelmeer wurde geschaffen, und eine Reihe von Marineübungen haben auf und um Malta stattgefunden. Diese zogen die Aufmerksamkeit und das Interesse der sowjetischen Flotte auf sich. Doch wenn die Sowjetunion einen permanenten Stützpunkt auf Malta in Form einer mit den entsprechenden Experten besetzten Botschaft hätte, könnte sie leichter in Erfahrung bringen, was vor sich geht.

Der Premierminister Maltas erklärte Anfang Juni im Parlament, daß die Regierung von Malta, als vor zwei Jahren die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion beschlossen wurde, gemeint halbe, es sei ausreichend, einen Botschafter zu ernennen, der nicht in dem Gastland leibt. Er fügte hinzu, dieser Ansicht

sei die maltesische Regierung noch heute. Premierminister Borg Olivier fühlt sich dem westlichen Bündnis verpflichtet; der Oppositionsführer, Mintow, dagegen sähe es lieber, wenn Malta neutraler wäre.

Kulturelle Annäherungsversuche

Der Besuch des sowjetischen Botschafters wird die Handels- und die kulturellen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Malta zwangsläufig beleiben. Im vergangenen Jahr besuchte eine russische Delegation die Internationale Handelsmesse auf Malta, und möglicherweise dieses oder im nächsten Jahr wird sich die Sowjetunion als Aussteller beteiligen. Eine Handelsdelegation aus Rußland wird noch in diesem Monat erwartet. Auf kulturellem Gebiet

werden sich die Beziehungen möglicherweise als etwas schwieriger erweisen. Der Pianist Svjatoslav Richter wird auf Malta ein Konzert geben, und zweifellos werden noch andere bekannte Künstler folgen, um den Maltesern die russische Kunst und Kultur nahezubringen; doch jede Fraterniisierung mit der sowjetischen Ideologie oder dem Kommunismus wird auf den starken Widerstand der mächtigen katholischen Kirche auf Malta stoßen.

Und schließlich sucht die Sowjetunion im Mittelmeerraum noch etwas anderes zu gewinnen: Prestige. Ein mit den Maltesern gewechselter Händedruck — und wenn es nur ein herzlicher ist — muß zwangsläufig andere beeindrucken, insbesondere die arabischen Nachbarn Maltas.

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