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Die Große Belagerung

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„The Great Siege: Malta 1565“... Der Titel der Originalausgabe steht über dieser Rezension, und die Übersetzung hätte nie einen anderen bekommen dürfen. Als „Die Große Belagerung“ lebt die Kampagne von 1565 im Bewußtsein des Malteserordens und der Inselbevölkerung von Malta; als „Die Große Belagerung soll sie durch die heurigen Vierhundertjahrfeiern der Christenheit ins Gedächtnis gerufen werden. Wohl ist eine ganze Literatur der Geschichte des Johanniterordens und der Großen Belagerung gewidmet, doch ist es freudig zu beigrüßen, wenn dieses Schrifttum und das reichliche Archivmaterial nunmehr zur Abfassung einer neuen, wissenschaftlichen Schilderung gedient haben. Man muß dem Autor Dank wissen für seine leicht faßliche, gewissenhafte Darstellung. Er hat auch dem Verständnis des Lesers durch eine kurze Beschreibung der Vorgeschichte und der Organisation des Ordens gedient. Einzelheiten hätte er — und zumal der Übersetzer — vielleicht anders fassen sollen, doch im Ganzen liegt hier eine gute Geschichte der Großen Belagerung vor.

Was ist nun im Sommer des Jahres 1565 auf Malta geschehen? Blicken wir zunächst auf die Verteidiger. Der Orden St. Johanns ist der älteste, und heute der einzige in der alten Gestalt überlebende, geistliche Ritterorden. Die geistlichen Ritterorden waren zugleich die Kerntruppen und die Sanitätstruppen der Kreuzzüge. Kriegerische Ausbildung, zumal der Festungsbau, Pflege der Kranken und Verwundeten, Wohltätigkeit, in späteren Zeiten seemännische Schulung und auch die Pflege der Kultur, über allem aber gottesdienstliches Leben:

das waren die Aufgaben des Ordens. Bis zuletzt hatte der Orden im Heiligen Land, im Königreich Jerusalem gekämpft. Dann hatte er eine neue Heimat auf Rhodas gefunden. Die osmanische Großmacht nahm endlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch dieses Land dem Orden, der sich nur einen ehrenvollen Abzug erkämpfte. Nach solcher Bewährung verlieh Kaiser Karl V. den Rittern die Insel Malta zu Lehen.

Was aber ist Malta? Es ist zwischen Sizilien und Afrika der Riegel, der die zwei Hälften des Mittelländischen Meers voneinander trennen kann. Nun gehörten damals die Küsten dieses Meers von Bosnien bis Algier den Türken. Nach der Schlacht bei Mohäcs hatte das Reich der Osmanen seinen höchsten Stand erreicht. Wohl hatte Wien einer ersten Belagerung standgehalten. Doch jedermann wußte, daß das nur ein Aufschub war; deutsche Reichstage berieten, was im Fall einer neuen Offensive donauaufwärts zu tun wäre. Freilich war das nicht die einzige Front. Wollte der Großherr nach dem Neuen Rom auch das Alte nehmen, wollte er den Islam in Andalusien wiederherstellen, wollte er den Ahden das Abendland — Maghreb, Marokko — entreißen, dann mußte er Malta haben. Und Solimian der Prächtige befahl, Malta zu nehmen.

Sein Reich erstreckte sich von Gran bis Mekka, von Azov bis Assuan, von Oran bis Basra. Mit etwa siebenhundert Rittern und nicht ganz neuntausend Soldaten widerstand ihm der Großmeister Jean de La Valette. Sechs Jahre später siegte die Christenheit bei Lepanto.

Wie macht man das? Unsere Zeit ist allergisch gegen den Begriff des erbitterten Widerstands bis zur letzten Patrone. Es ist indes ein Unterschied, ob man unter einem Unzurechnungsfähigen für eine schlechte, oder unter einem Teilnehmer des Nahkampfs für eine gute Sache ficht. Eine gewisse Rolle spielte auch die gegenseitige Verläßlichkeit. Der Großmeister durfte vertrauen, daß der verlorene Posten Sant Elmo bis zuletzt gehalten würde; der Vizekönig von Sizilien wußte, daß Malta auf die „Große Hilfe“ warten würde und daß er sie schicken würde, dafür hatte er dem Orden den eigenen Sohn zum Pfand gegeben. Der ist auf Malta gefallen. Unter solchen Umständen ist so manches möglich, was andernfalls wohl nicht zu machen wäre. Was solcherart vor vierhundert Jahren auf Malta geschehen ist, kann jedermann in Bradfords Buch und in älteren Werken lesen.

Eine Schüderung der Ordensgeschichte machte selbst Geschichte. Als Kaiser Paul von Rußland die Chronik von Vertot gelesen hatte, da fühlte er, daß der Malteserorden nicht untergehen darf. Bonaparte eroberte — durch List! — die Insel; dank der Hilfe Kaiser Pauls lebt der Orden bis auf den heutigen Tag. Die Geschichte der letzten 30 Jahre, die Begebenheiten von Ordensmitgliedern in Hitlers Haft, beweisen, daß die Ritterschaft noch bereit ist, das Leben an die Bewahrung des Glaubens zu setzen. Daher erregte es den Orden keineswegs, als vor kurzem der Papst eine osmanische Flagge aus der Siegesbeute von Lepanto den Türken zurückzugeben für gut befand. Solange es Feinde der Christenheit und Malteserritter gibt, sind solche Trophäen christlicher Standhaftigkeit nicht unersetzlich.

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