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Malta im Visier Ghadafis

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Der fast neun Jahre währende Honigmond zwischen Maltas Dominic Mintoff und Muam- mer Ghadafi, dem öldurstigen, einem großarabischen Traum ergebenen libyschen Revolutionsführer, erfuhr im Sommer 1980 ein abruptes Ende. Mintoff bootete kurzerhand die auf Malta tätigen 30 libyschen Berater aus und schloß den Propagandasender Ghadafis auf der Insel. Letzterer ließ daraufhin ebensoschnell einen Ersatzsender „Mondo Mediterra- neo“ unter der Ägide der stark libysch beeinflußten siziliani- schen Zeitung „L’Ora“ bei Cata nia errichten, von wo aus nicht nur Sizilien und Malta, sondern nunmehr auch vornehmlich Tunesien mit gezielten Programmen berieselt werden.

Die von der Labour Party gestellte Regierung Maltas trumpfte prompt mit der Einstellung zehn neuer Militärberater auf — diesmal aus Nordkorea — erklärte die Neutralität Maltas, schloß einen Beistandspakt mit Italien und gewährte der sowjetischen Handelsmarine die Möglichkeit, die von der NATO angelegten ölbunker auf der Insel zu benutzen.

Vorausgegangen war dieser Kehrtwendung Mintoffs der Streit mit Libyen um die 80 Kilometer südlich von Malta vermuteten riesigen Ollagerstätten. Zuvor hatte Tripolis urplötzlich sein Hoheitsgebiet auf alle Gewässer im Umkreis von 200 Kilometer ausgedehnt.

Im August 1980 erzwang ein libysches Unterseeboot die Schlie ßung einer im maltesischen Auftrag arbeitenden Bohrplattform des italienischen Erdölkonzerns ENI. Anschließend zog Libyen vor den Internationalen Gerichtshof um Recht auf diese Ölreserven zu bekommen—dies vor allem für die Zeit nach Erschöpfung der eigenen Wüstenquellen. Das Verfahren ist immer noch anhängig, da Ghadafi allenfalls ein Viertel des Gesamtvorkommens den Maltesern zuzugestehen bereit ist.

Es gilt als sicher, daß Ghadafi Malta, trotz des offiziellen Bruchs, weder abgeschrieben, noch aufgegeben hat. In Mintoffs Partei sitzen offenbar nicht wenige Verfechter einer ethnisch begründeten maltesisch-arabischen Zugehörigkeit, die gegebenen-: falls bereit sind, die jeweilige politische Orientierung ihres Vorsitzenden zu ignorieren.

So legte man sich immer mehr mit der katholischen Kirche an und verwies Ende 1980 acht englische Ordensschwestern des Landes, die dort eine Privatklinik geleitet hatten. Es folgten Mitte 1983 die ersten Schritte zur Verstaatlichung der konfessionellen Schulen beziehungsweise zur Konfiszierung jeglichen kirchlichen Vermögens, ausgenommen die 360 Kirchenbauten der 320.000 Katholiken der Insel. Die offizielle Ankündigung rief unweigerlich auch den Vatikan auf den Plan; die Lage spitzt sich allmählich zu.

Der „unsinkbare Flugzeugträ ger“ (Churchill), eine der größten derzeit brachliegenden Flottenbasen der Welt, war seit den Tagen Lord Nelsons bis 1978 britischer Stützpunkt. Der Abzug der Engländer hinterließ ein bis heute nicht gefülltes Machtvakuum in diesem Teil des Mittelmeerraumes.

Die Malteser bekennen sich trotz ihrer semitischen Abstammung offen zum Westen, respektive zu Europa und wollen von einer nordafrikanischen Verwandtschaft gar nichts wissen.

Als sich ein Teil der Bevölkerung Maltas vor drei Jahren durch die Politik Mintoffs bedroht fühlte, wandte sich die konservative Nationalistische Partei (NP) an das Europaparlament und erbat Hilfe und Schutz. Die Straßburger Versammlung beschloß die Verurteilung der repressiven Politik Mintoffs und richtete eine scharfe Warnung an ihn. Dieser Schritt vermochte den „Volkstribun“ tatsächlich bis zu den Neuwahlen einigermaßen zu bremsen.

Eine Beruhigung brachten die Wahlen im Jänner 1982 allerdings nicht. Im Gegenteil: Bedingt durch das merkwürdige Wahlsystem konnte die nationale Opposition trotz einer Mehrheit der für sie abgegebenen Stimmen nur 31 Mandate für sich verbuchen. Mintoff, dessen Partei trotz weniger Stimmen nunmehr 34 Sitze im Parlament zustanden, ließ sogar alle Mandate der Nationalistischen Partei aberkennen, nachdem diese demonstrativ den Sitzungen ferngeblieben war, um ihren Unmut gegen die ungerechte Verteilung der Stimmen kundzutun.

Immerhin durften die 31 NP- Abgeordneten im April dieses Jahres nach ihrem 15monatigen Boykott ins Parlament zurückkehren. Nach wie vor weigern sie sich jedoch standhaft, sich einer Ächtung der Malta-Entschließung des Europa-Parlaments anzuschließen.

Sich die Rolle einer Weltmacht anmaßend, verweigerte Mintoffs Regierung in Madrid dem am 15. Juli 1983 von allen 34 Teilnehmerstaaten gebilligten KSZE-Ab- schlußdokument seine Zustimmung. Der Zwergstaat verhinderte die Beschlußfassung, indem er besondere Sicherheitsgarantien für den Mittelmeerraum und die eigenen, gefährdet erscheinenden Meeresgrenzen verlangte. Dies alles wohl mit einem Seitenblick nach Nordafrika und dem Tschad, wo Ghadafi gerade seine, dem Ostblock abgeschaute „brüderliche Hilfe“ vorexerziert.

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