Geschlossenes System ohne Kontrolle

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Schade, dass Bundespräsident Heinz Fischer die in die Hofburg getragenen Blumensträuße zu seinem Geburtstag am vergangenen Freitag nicht selbst am Eingang in Empfang genommen hat. Sonst hätte er das Zersägen von Sesseln auf dem Ballhausplatz gesehen und gehört. Und der Bundespräsident wäre dann gewiss zu den Aktivistinnen und Aktivisten der „Plattform Bleiberecht“ hingegangen, hätte sich informiert und anschließend selbst zu sägen begonnen. Denn als die Bleiberechtsdebatte im Vorjahr, aufgeheizt vom Arigona-Zogaj-Schicksal, am medial-politischen Siedepunkt kochte, hat Fischer ein Bleiberecht für integrierte Asylwerber unterstützt.

Das am 1. April in Kraft getretene Bleiberechtsgesetz wurde dieser Forderung aus der Hofburg jedoch nicht gerecht: Nur rund 400 Personen erhielten mit dem neuen Gesetz einen humanitären Aufenthaltstitel – gegenüber 300 im Jahr 2008, ohne dieses Gesetz. Die Plattform Bleiberecht geht von über 5000 Anspruchsberechtigen für ein Bleiberecht aus. Kein Zehntel davon bekam es zugesprochen. Deswegen der Vorwurf: „Das Gesetz wird der Anforderung, lange hier lebenden Menschen ohne gesicherten Titel eine Lösung zu bieten, nicht gerecht.“ Deswegen die zersägten Sessel.

Schubhaft-Demo: Gegen Haft ohne Delikt

Selbstredend, dass Asyl- und Integrations-NGOs vor Inkrafttreten des Bleiberechtsgesetzes vor dessen „Fallstricken“ gewarnt haben. Ebenfalls selbstredend, dass die Einwände von den Gesetzesmachern zur Seite geschoben wurden. So wie bei jedem Fremdengesetz der letzten Jahre, so wie bei der nächsten Novelle des Fremdenrechts, die am kommenden Dienstag im Parlament zur Abstimmung ansteht. Am Abend des 20. Oktober wird eine Demonstration vor dem Innenministerium gegen die mit diesem Gesetz einhergehende Ausweitung der Schubhaft als „Haft ohne Delikt“ protestieren.

Die Plattform Bleiberecht kritisiert daneben, dass das novellierte Gesetz weitere Tausende entwurzelt: „Mit bürokratischen Tricks werden Migranten in die Illegalität getrieben, um sie loszuwerden. Außerdem wird ein bloßer „Duldungsstatus“ eingeführt. Damit wird man zwar nicht abgeschoben, aber man ist auch nicht rechtmäßig im Land. Womit eine wichtige Voraussetzung für das Bleiberecht wegfällt.

Es entfällt auch die zivilgesellschaftliche Kontrolle in den Polizeianhaltezentren und Flüchtlingslagern: Fast ausschließlich nur mehr der dem Innenministerium nahestehende „Verein Menschenrechte Österreich“ wird zur Schubhaftbetreuung herangezogen. Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz … konnten sich in der Ausschreibung des Innenministeriums bei „Angebot und Preisgestaltung“ nicht durchsetzen.

Doch der Preis, um den man sich hier Ruhe vor lästigen NGOs erkauft, ist in jedem Fall zu hoch. In geschlossenen Systemen steigt das Risiko von Menschenrechtsverletzungen – dafür gibt es unzählige nationale und internationale Beispiele. Die Flüchtlingsorganisationen warnen – sie werden nicht gehört. Was wird als nächstes auf dem Ballhausplatz zersägt? (wm)

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