EU-Zucker, -Brot und -Peitsche für freiwillige Rückkehr

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Europa bitte helfen! Als letzten Monat der Fall des von Abschiebung bedrohten Mädchens Arigona Zogaj schon einmal zu eskalieren drohte, stellte der SPÖ-Europaabgeordnete Jörg Leichtfried eine dringliche Anfrage an die EU-Kommission in Brüssel. Doch die Antwort war kurz, ernüchternd und enttäuschend zugleich: Es gibt derzeit weder eine EU-Bestimmung für die Rückführung von abgelehnten Asylwerbern noch für die Erteilung von Bleiberecht: "Daher hält es die Kommission nicht für angebracht, die Erteilung oder Nichterteilung eines humanitären Titels in einem Einzelfall durch Österreich zu kommentieren."

Kein Kommentar zu Bleiberecht und Abschiebung aus Brüssel - noch nicht, und das, obwohl der Entwurf für eine europäische Rückführungsrichtlinie schon seit zwei Jahren auf dem Tisch liegt. Manfred Weber, CSU-Europaabgeordneter aus Niederbayern, ist der Berichterstatter für diese Rückführungsrichtlinie im Europaparlament. Im Gespräch mit der Furche lässt er seinem Ärger freien Lauf: "Wir wissen, dass wir massive illegale Immigration haben, und wir wissen, dass klare europäische Rückführungsrichtlinien auf dem Tisch liegen, die im Europäischen Rat blockiert werden, die dort nicht vorangehen."

Europäischer Rat blockiert

Dass im Europäischen Rat, also auf der Minister- und Ministerpräsidenten-Ebene, diesbezüglich nichts weiter geht, braucht nicht zu wundern, prallen dort doch die unterschiedlichsten Meinungen aufeinander, die es zum Bleiberecht in Europa gibt: Von den Spaniern, die regelmäßig und recht großzügig illegal im Land befindliche Ausländer legalisieren, bis hin zu den Deutschen oder Österreichern, die sich bei der Gewährung von Bleiberecht sehr zurückhalten.

Insofern überrascht es, dass Manfred Weber im Europaparlament einen Vier-Parteien-Konsens zu seiner Rückführungsrichtlinie zustande gebracht hat - was zweifellos für die Qualität seines Gesetzesvorschlags spricht. Mit der Richtlinie sollen erstmals EU-einheitliche Verfahren und Standards für den Umgang mit Ausländern eingeführt werden, die sich nicht rechtmäßig in der EU aufhalten - weil sie entweder illegal eingereist sind, ihr Visum oder ihre Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist, oder ihr Asylantrag letztinstanzlich abgelehnt wurde. "Das Leben in der Illegalität ist eine moderne Form der Sklaverei und muss deshalb beendet werden", sagt Weber und fordert: "Die europäische Politik muss sich entscheiden - entweder man erteilt den Illegalen einen legalen Aufenthaltstitel, oder man führt sie in ihr Heimatland zurück."

Für die Rückführung gilt nach Inkrafttreten der Richtlinie ein zweistufiges Verfahren, das laut Weber nach dem Zucker-Brot- und-Peitsche-Prinzip abläuft: Zunächst ergeht an die sich illegal im Land befindliche Person eine "Rückführungsentscheidung". Innerhalb von vier Wochen muss die betroffene Person dann die freiwillige Rückkehr antreten, ansonsten wird eine behördliche oder richterliche "Abschiebungsanordnung" zugestellt, und der Mensch wird abgeschoben.

Um die Motivation für eine freiwillige Rückkehr zu erhöhen, ist es den EU-Mitgliedstaaten freigestellt, finanzielle Anreize zu schaffen. Geld dafür ist laut Weber im EU-Rückführungsfonds vorhanden. Nach einer freiwilligen Rückkehr ins Heimatland ist außerdem eine Wiedereinreise in die EU möglich, während mit einer Abschiebung automatisch ein fünfjähriges EU-Aufenthaltsverbot verknüpft ist.

Mit der Richtlinie wird auch die Position von Nichtregierungsorganisationen in ihrer Überwachungsfunktion gestärkt. Sie werden im Rückführungsprozess als Partner gesehen und dementsprechend eingebunden. Nur bei Fluchtgefahr oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit soll noch die Schubhaft verhängt werden. Ansonsten müssen "die Abschieblager klar abgegrenzt von klassischen Gefängnissen sein, Bildungs-, Sport- und andere Freizeitmöglichkeiten bieten", sagt Weber, "denn diese Menschen sind ja keine Verbrecher!" Und für wann rechnet der Berichterstatter, dass "seine" Rückführungsrichtlinie vom Europäischen Rat angenommen wird? Weber: "Meine Geduld ist am Ende, das nervt schon, aber ich hoffe, im Jänner, Februar ist die Sache durch." WM

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