Keine Angst haben nur Über- oder Unmenschen

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In einem Essay mit der Überschrift "Mehrwert aus dem Osten" hat Valentin Inzko am Vorabend der EU-Osterweiterung in der FURCHE geschrieben: "Europa ist nämlich nicht nur in Maastricht entstanden oder in Brüssel. Europa ist auch durch das Leiden und den Widerstand im Osten entstanden, auch den katholischen - man denke nur an die Rolle der polnischen Kirche." Und der damalige Leiter der Abteilung für Zentral-, Ost- und Südosteuropa im Außenministerium fasste seine Gedanken "kurz und etwas pauschal" zusammen: "Die Länder Ostmitteleuropas werden vom Westen materiell profitieren, der (reiche) Westen aber wird von den neuen europäischen Bürgern ebenfalls profitieren - geistig, spirituell, intellektuell und kulturell. Möglicherweise werden unsere Brüder aus dem Osten noch etwas schaffen, worum wir derzeit vergebens ringen: Europa auch eine Seele zu geben."

Mit seiner Berufung zum Hohen Repräsentanten der UNO in Bosnien-Herzegowina hat der Kärntner Slowene Inzko die nicht minder schwierige Aufgabe übernommen, dem geteilten Bosnien den Nutzen einer gemeinsamen Zukunft zu vermitteln. Eine Sisyphus-Arbeit, an der Inzkos Vorgänger seit 1995, der eine mehr, der andere weniger, letztlich aber alle gescheitert sind.

Der "High Representative" ist der offiziell mächtigste Posten in Bosnien-Herzegowina. Er kann Politiker entlassen, Dekrete erlassen und vom bosnischen Parlament verabschiedete Gesetze aufheben. Andererseits muss er zwischen den politischen Gruppierungen im Land vermitteln und die Aktivitäten der internationalen Agenturen bzw. Geberländer koordinieren.

Bosnien zusammenführen - unmöglich?

Für viele Experten ist der Job jedoch eine "mission impossible". Grund allen Übels, so die Skeptiker, sei der Friedensvertrag von Dayton, der zwar den Bosnien-Krieg beenden, aber keinen neuen Staat begründen konnte. Sollte es auch dem 59-jährigen Inzko nicht gelingen, den bosnischen Knoten zu lösen, dann ist der Beweis für das Dayton-Desaster jedenfalls endgültig erbracht. Denn einen Besseren für diese Aufgabe kann weder die UNO noch später einmal die EU finden. Wie Wolfgang Petritsch, ein Landsmann von Inzko und einer seiner Vorgänger als Hoher Repräsentant, verbindet Inzko reiches Balkan-Wissen mit noch mehr Balkan-Empathie. Was beim "Neuen" aber dazu kommt und ihm in seinem Bosnienjob sicher nützlich sein wird: Inzko ist der jovialere, aber auch gewieftere Diplomat.

Ein "mulmiges Gefühl" habe er schon, erklärte Inzko 1996, als er den Botschafterposten im kriegszerrütteten Sarajewo übernommen hat. Doch "ein berühmter Psychologe hat gesagt, keine Angst haben nur Übermenschen oder Unmenschen". Inzko ist vor allem ein Mensch mit dem Herzen am richtigen Fleck. Einer, der nicht wegschaut, einer, der sich zu Wort meldet. Legendär sein Kommentar, als die Ortstafelfrage in seiner Kärntner Heimat wieder einmal überkochte: "Es gibt Tage, an denen ich mich als begeisterter Österreicher schäme, als Kärntner Slowene erniedrigt fühle und als Jurist fassungslos bin."

Im eingangs zitierten FURCHE-Beitrag ist auch ein Geständnis über eine Tat zu lesen, auf die Inzko heute noch stolz ist: Als UNO-Angestellter in der Mongolei hat er in den 1970ern einen in einer Schuhpasta versteckten Mikrofilm per Bahn von Ulan Bator nach Hong Kong geschmuggelt. Auf dem Mikrofilm befand sich die erste Übersetzung der Heiligen Schrift auf Mongolisch.

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