Rheinischen oder reinen Kapitalismus?

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Berlin und Graz im Gleichklang: "Wir wollen eine Vermögenssteuer, eine höhere Erbschaftssteuer und wir wollen den Spitzensteuersatz für höhere Einkommen anheben", sagt Oskar Lafontaine. Und so wie der steirische SP-Landeshauptmann Franz Voves hat auch der frühere saarländische SP-Ministerpräsident die Steuerquote im Visier: "Wenn Deutschland Vermögen so wie Großbritannien besteuern würde, hätte der Staat jährliche Mehreinnahmen von 80 Milliarden Euro." Und weil man schon mal beim kräftigen Abschöpfen ist, schlägt Lafontaine auch gleich noch eine Börsenumsatzsteuer von 0,5 Prozent vor - schon wieder 35 Milliarden Euro plus.

So einfach wäre es, wenn SPD und Grüne "mit uns diese Wohltaten beschließen", meint der heutige Parteichef der Linkspartei. Doch davon kann keine Rede sein. Und was Lafontaine noch mehr schmerzen muss: Die Krise hilft der Linkspartei nicht, im Gegenteil: Die Krise stürzt auch die Linke in die Krise, der Partei gelingt es nicht, Profit aus den Problemen des Kapitalismus zu schlagen. Wären jetzt deutsche Bundestagswahlen, bekäme die Linke laut einer Forsa-Umfrage zehn Prozent der Stimmen. So wenige Wähler wollten sich zuletzt kurz vor der Gründung der Partei 2007 für das Lafontaine-Gysi-Gespann entscheiden.

Alfred Hrdlicka hat Links-Partei initiiert

Gregor Gysi ist der Ost-Ausleger des linken Spitzenduos. In der aktuellen Ausgabe der Berliner Obdachlosenzeitung strassen/feger ist zu lesen, dass diese Parteigründung, die eigentlich eine ost-westdeutsche Parteizusammenführung ist, vom Österreicher Alfred Hrdlicka eingefädelt wurde. Und Gysi meint: "Das macht man ja nicht, weil man gerade nichts anderes zu tun hat. Dafür muss es ja eine gesellschaftliche Stimmung geben, und die gab es erst später."

20 Jahre nach dem Mauerfall ist die Frage nach der gesellschaftlichen Stimmung in Deutschland das Jubiläumsthema schlechthin. "Sind Sie im Westen angekommen?", lautet dabei die klassische Frage an die "Ossis". Der Dresdner Schriftsteller Ingo Schulze fragt jedoch immer zurück: "In welchem Westen? Dem von 1989 oder dem von 1999 oder dem von heute? Meinen Sie den rheinischen Kapitalismus oder den reinen?" Und Schulze fragt weiter: "Wie wäre es gewesen, wenn wir nach dem Mauerfall auf Hartz-IV-Empfänger getroffen wären oder auf Ein-D-Mark-Jobber?"

Was gern als Ost-West- oder West-Ost-Problem ausgegeben wird, sieht laut Schulzes Einschätzung "nicht mal mehr an der Oberfläche so aus". Es ist ein deutsches, ein europäisches, ein weltweites Problem geworden: "Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste sozialisiert." Für den Ossi Schulze wäre der Wessi-Hochmut gegenüber der DDR zu verschmerzen, "wäre nicht sein heutiges Spiegelbild so kriminell".

Zur Rettung empfiehlt der Leipziger "Wende"-Pfarrer Christian Führer dem vereinigten Deutschland das "Prinzip des Teilens": "Ich habe immer gesagt, die zweite Revolution steht noch aus, die der Wirtschaft!"

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