Röntgen und der Geist des Misstrauens

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Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl ansuchen, steigt: Waren es 2006 noch 488, so stieg die Zahl 2007 auf 582; 2008 waren es 872, und dieser Trend setzt sich 2009 fort: Bis Ende April wurden 331 Asylanträge von Flüchtlingen unter 18 Jahren eingebracht - 85 mehr als im Vergleichszeitraum 2008.

Dieser Anstieg verursacht derzeit ein Unterbringungs- und Betreuungsproblem. Unter 18-jährige Flüchtlinge werden deswegen gemeinsam mit erwachsenen Asylwerbern untergebracht. Eine untragbare Situation für das "Netzwerk Kinderrechte Österreich", dem Zusammenschluss von 30 Kinderrechte-Organisationen. Diese Praxis widerspreche der Kinderrechtskonvention, kritisiert das Netzwerk und fordert eine adäquate Unterbringung. Besonders das Betreuungspersonal für unbegleitete Minderjährige müsse fachgerecht ausgebildet sein. Und sowohl Verantwortung als auch Fachaufsicht sollten klar bei der Jugendwohlfahrt angesiedelt werden.

Innenministerin Maria Fekter thematisierte bei der Präsentation ihrer Fremdenrechtsnovelle ebenfalls den Anstieg der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Im Unterschied zum Netzwerk Kinderrechte geht Fekter in ihrer Antwort auf das Betreuungsproblem jedoch davon aus, dass der Anstieg von unbegleiteten Flüchtlingen unter 18 Jahren vor allem dem Asylmissbrauch geschuldet ist.

Die wenigsten fliehen mit Dokumentenmappe

Asylwerber machten sich jünger, "was im Asylverfahren zu Vorteilen und Erleichterungen führt". Um dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben, heißt es in der Fremdenrechtsnovelle, kann "durch spezifische radiologische Untersuchungen das Alter des Fremden besser beurteilt werden". SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl unterstützt die Fekter-Position: "Wenn die Medizin sagt, das geht ok, kann kein Haar in der Suppe sein." Doch die medizinischen Expertenmeinungen gehen diametral auseinander: Laut Martin Uffmann, Universitätsdozent für Radiologie am AKH Wien, handelt es sich bei der Altersfeststellung durch Röntgen um ein "etabliertes Verfahren". Die "Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde" widerspricht: "Die Durchführung von Röntgenuntersuchungen, um das Alter festzustellen, kann sich nicht auf wissenschaftliche Daten stützen. Daher sind sie abzulehnen." Und das UNHCR meint zur Anforderung, Minderjährige müssten ihr Alter mit unbedenklichen Dokumenten belegen: "Die wenigsten Menschen fliehen mit der Dokumentenmappe unter dem Arm." Und auch wenn nicht alle Asylsuchenden ihr Alter korrekt angäben, sei der "Geist des Misstrauens" dieser Bestimmungen bedauerlich. (wm)

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