In der Liebe bleiben

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Deus caritas est. Gott ist (die) Liebe: der Leitsatz der ersten Enzyklika von Benedikt xvi. Ich kann sie erst nach dem Schreiben dieser Zeilen lesen. Aber schon die Wahl des Leitsatzes aus dem ersten Johannesbrief (4, 16 b) ist eine spannende Sache.

Er spricht die Kernwahrheit des Evangeliums Jesu aus. Und die hat von Anfang an sowohl gespannte Zuhörer gefunden als auch Spannung hervorgerufen bis hin zum Konflikt. Jesus hat mit dieser Botschaft jeden Menschen zum Theologen gemacht, indem er ihm damit den wesentlichen Kern des "Wissens" über Gott und des Redens über ihn ausgehändigt, Theologie und Gottesbeziehung gewissermaßen demokratisiert hat. Seither dürfen sich Verkündung, Auslegung und Institutionalisierung nur mehr als Dienst am Gott direkt gegenüber stehenden Menschen sehen und nicht mehr als Zwischeninstanz mit exklusiven Vollmachtsansprüchen. Das alles hatte sich längst im Ersten Bund angebahnt, musste aber auch dort permanent von den Propheten verteidigt werden: gegen die ständige Tendenz zur Rückabwicklung durch sich zwischen dem Menschen und Gott etablierende Systeme.

Man kann also den Leitsatz der ersten Enzyklika des neuen Papstes auch als starke Ansage deuten: als Ankündigung einer grundlegenden Inventur all dessen, was sich unter "Kirche" entwickelt und angesammelt hat, auf die Kernwahrheit hin, die am Anfang steht. Vielleicht auch als Anfang eines sorgsamen Rückzugs aus aller moralisch-ethischen Entmündigung des Menschen. Denn der Leitsatz der Enzyklika findet im Originaltext eine brisante Fortsetzung: "... und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm." Nicht, was der Mensch getan hat, ist also der entscheidende Punkt, sondern ob er dabei "in der Liebe geblieben" ist. Ich bin schon neugierig auf das ganze Schreiben.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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