Lateinisch, aber nicht tridentinisch

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Das Engagement mancher Katholiken für die Wiederzulassung des tridentinischen Ritus wird spürbarer. Als Jude habe ich das lange freundlich betrachtet. Auch im Judentum wogt seit Jahrhunderten der Kampf um die Gebetssprache. Der Talmud for-dert Beten in der Landessprache, wenn das Hebräisch der Gemein-de nicht ausreicht, denn Gott spricht alle Sprachen. Für Durch-schnittsjuden hat Hebräisch aber die Aura besonderer Heiligkeit.

Bei der Trauung der Prinzessin von Hessen konnte ich diesen Effekt studieren. Mit Dis-pens des Ortsbischofs fand der tridentinische Messritus Verwendung. Einem römischen Monsignore mit "entzündeten" Knopf-löchern und rotem Seidenmäntelchen wurden bei der Gabenbereitung so oft die Hände geküsst, dass ich dem fasziniert und mit professionellem Neid folgte. Das Lateinische untermalte den Eindruck eines mystischen Moments: aristokratisch nicht nur wegen der Anwesenden.

Es geht nicht allein um die Sprache, sondern um das, was gesagt wird. Auch im Judentum ist der Disput um die Veränderlichkeit liturgischer Aussagen ständiger Begleiter eines liberalen Rabbiners: der Inhalt des Gebets soll doch dem entsprechen, was der Betende glaubt. Deshalb wur-den gerade seit der Aufklärung viele jüdische Gebetbücher im hebräischen Text und in der Über-setzung revidiert. Ebenso hat die Liturgiereform nach dem II. Vati-kanum wesentliche Neubestimmungen vorgenommen, auch zum Verhältnis mit dem Judentum. Die Erklärung "Nostra Aetate" und die Annäherung un-ter Johannes Paul II. sind hoffentlich unumkehrbare Errungenschaften in unserem Verhältnis. Deshalb wäre die jüdische Lösung: Verwenden der lateinischen Sprache im Gottesdienst, aber nach heutigem Ritus. Denn die Kirche wäre durch den tridentini-schen Ritus nicht mehr authentisch mit ihrer heutigen Gestalt.

Der Autor leitet das Europäische Rabbinerseminar in Potsdam.

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