Luthers Tiraden wider die Juden

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Die antijüdischen Spätschriften Martin Luthers gehören zu den dunklen Kapiteln der Reformation. Bekannter ist Luthers Polemik "Von den Juden und ihren Lügen" aus 1543. Im gleichen Jahr ließ Luther den Traktat "Vom Schem Hamephorasch und vom Geschlecht Christi" folgen, der noch aggressivere Polemiken gegen die Juden enthält. Der in Tübingen lehrende Religionswissenschaftler und Judaist Matthias Morgenstern hat nun erstmals diese weniger bekannte Schrift neu übertragen und ausführlich kommentiert. Morgenstern, der auch evangelischer Pfarrer ist, erschließt im Band "Martin Luther und die Kabbala" das judenfeindliche Werk nüchtern und in den historischen Kontext seiner Zeit eingebettet.

Auch wenn man den antijüdischen Auswüchsen des Reformators viel an Zeitgebundenheit zugestehen möchte, kann man die Augen nicht verschließen vor dem Unheil, das Luther-Sätze anrichten konnten, in denen von der Bestrafung der Juden die Rede ist, "dass die Gassen voller Blut rönnen, dass man ihre Toten nicht in Hunderttausenden, sondern in Millionen berechnen und zählen müsste " Dieser Satz findet sich gleich am Beginn des Traktats, und man kann nicht umhin, dass ob solcher Rede die Bilder von den Leichenbergen in den NS-Vernichtungslagern vor einem ablaufen. Es ist offenkundig, dass Luther in der christlich-antijüdischen Tradition steht, auf die sich die NS-Ideologen denn auch stützten.

Polemiken gegen Kabbala und jüdische Jesus-Persiflage

"Schem Hamephorasch", das hebräische Wort im Titel meint das Tetragramm JHWH für den Gottesnamen, der von Juden nur geschrieben und nicht ausgesprochen wird. Die vier hebräischen Buchstaben des Tetragramms wurden auch zahlenmystisch interpretiert: Luther polemisiert gegen diese mystischen Zugänge wie auch gegen das, was heute unter "Kabbala" subsumiert wird. Vor allem aber stützt sich Luther auf eine von ihm übersetzte Version der "Toledat Jeschu", einer im frühen Mittelalter aufgetauchten jüdischen Spottgeschichte über das Leben Jesu, die in satirischer Weise die jüdische Kritik am Glauben an Jesus zuspitzt. Luther wirft dieses jüdische Sonder-Erzählgut gleich dem ganzen Judentum um die Ohren und will gleichzeitig nachweisen, dass sich überall im Alten Testament Beweise für das spätere Wirken und die Lehren Jesu Christi finden. Das hält heutiger Exegese des Alten Testaments natürlich nicht stand, aber es war Ausgangspunkt für Luther, dem Judentum Verstocktheit und Verblendung zuzuschreiben. Im zweiten Teil des Traktats sucht Luther Argumentationen der "Toledat Jeschu"-Tradition zu widerlegen, nach der Jesus der uneheliche Sohn eines römischen Soldaten und Marias sei.

Herausgeber Morgenstern bleibt in seiner Kommentierung des Traktats umsichtig und seinerseits völlig ohne Polemik. Das ändert nichts an der Tatsache, dass diese Luther-Schrift ein überaus schmerzliches Erbe darstellt.

Vom 6. bis 25. November ist in der Evangelischen Pfarre Perchtoldsdorf bei Wien die Ausstellung "Luther und die Juden" zu sehen, bei der dieses dunkle Kapitel der Reformation gleichfalls thematisiert wird (www.evang-perchtoldsdorf.at).

Martin Luther und die Kabbala Vom Schem Hamephorasch und dem Geschlecht Christi. Bearbeitet und kommentiert von Matthias Morgenstern Berlin University Press 2017.300 Seiten, geb., € 19,90

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