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Die Bibel deutsch nach Martin Luther 1545

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Man fragt sich, warum die Bibel nach der Ubersetzung Dr. Martin Luthers in der Ausgabe letzter Hand vom Jahre 1545 auf dem Buchmarkt erschienen ist, da zuletzt im Jahre 1956 das Neue Testament und 1964 das Alte Testament in revidiertem Text herausgekommen sind.

Glaube aus der Predigt kommt und die Predigt aus dem Wort Gottes, es müsse dieses Wort Gottes eben übersetzt werden in Sprache, Verhältnisse und Standpunkte der Jetztzeit, damit Gott seine Wahrheit aktuell in der viva vox evangelii beweise? Ist diese Ausgabe ein Kind der Nostalgie?

Der wortgetreue Nachdruck des Textes der Lutherbibel in der letzten Revision aus seiner Hand ist keine Vergangenheitsverklärung, sondern die niemals ruhende Frage nach der Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern, nach der ecclesia semper reformanda.

Luther ist nie aus der römischkatholischen Kirche ausgetreten, denn zu seiner Zeit gab es noch keine „verfaßte“ evangelische Kirche. Er hoffte bis zuletzt, daß das Wort Gottes durch seine ihm innewohnende Kraft die Kirche von innen her erneuern werde. Eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht. Seinen Glauben, seine Lehre, das Predigtamt und die Sakramente standen auf keiner reichsrechtlich bestätigten Organistaion, sondern allein auf der Bibel. Welche besondere Mühe er auf dieses Fundament verwendete, macht im besonderen das vorliegende Bibelwerk mit seinem Vorwort und seinem Anhang — insgesamt schon ein eigenes Werk von 400 Seiten — deutlich. Mit welchen wissenschaftlichen „modernen“ Methoden Luther vorging, ist spannend wie ein Roman in der rund 100 Seiten langen Einleitung des bedeutendsten Luther-Forschers der Gegenwart DDr. Hanz Volz und Mitarbeiters der großen Weimarer Luther-Ausgabe zu lesen.

Gerade dieser einzigartigen Sorgfalt und Kenntnis des Herausgebers ist es zu verdanken, daß dieser Bibeltext in seiner zeitgenössischen Wortwahl und den beigegebenen Glossen die Grundsätze der lutherischen Reformation und die Lehrentscheidungen Luthers erkennen läßt. Wer sich in den vorliegenden Text von 1545 vertieft, wird zum Beispiel erkennen, daß Luther keinerlei andere Antriebskraft für die Verdeutschung der Bibel hatte, als Gott allein die Ehre zu geben. Keine ehrgeizige, ideologische oder habgierige Absicht ist dem Dolmetscher Luther zu unterstellen, als der Auftrag Gottes, seine Gnade in Christus allen Menschen zu verkündigen.

So schreibt er hinsichtlich seiner Übersetzung des Neuen Testamentes im Jahre 1522 im „Sendbrief vom Dolmetschen“:

„Das kan ich mit gutem gewissen zeugen I das ich meine höchste trew vnd vleiß drinnen erzeigt I vnd nve kein falscfle gedancken gehabt habe I denn ich habe keinen heller da für genommen noch gesucht I noch damit gewonnen I So hab ich meine ehre drinnen nicht gemeinet I das weis Gott mein Herr I sondern habs zu dienst gethan den Itcben Christen I vnnd zu ehren einem der droben sitzet I der mir alle stunde so vil guts thut I das wenn ich tausent mal so viel vnd vleissig gedolmetzscht I dennoch nicht eine stunde verdienet hette zu leben I odder ein gesundt auge zu haben I Es ist alles seiner gnaden vnd barmhertzigkeit I was ich bin vnd habe I Ja es ist seines theuren bluts vnd sauren Schweißes I darumb sols auch > fob Gott wil) alles yhm zu ehren dienen I mit freuden vnnd von hertzen.“

Wer noch tiefer nach der Quelle lutherischer Übersetzungskunst graben will, der mag die Vorrede auf das Neue Testament im Band II, Seite 1962, lesen und wird als Urheber solcher Kunst den gnädigen Gott selbst finden, wie ihn Luther sein ganzes Leben und Schaffen bezeugt.

Diese Urtöne wieder zu hören ist nicht Modesache, sondern ist neben dem Studium der eigentlichen Ursprachen Hebräisch und Griechisch Versenkung in die Anfänge einer europäischen Geistesbewegung, die längst nicht vorbei ist, sondern immer neue Wogen schlägt, da sie als Quelle das Wort Gottes selbst hat, mit dem Gott die Geschichte seiner Gemeinde auf Erden lenkt. Auf dieses weist Luther hin, wobei er sich und alle Ausleger und Dolmetscher angesichts der Wichtigkeit des

„O das gött wollt meyn und aller lerer außlegung untergingen, vnnd eyn iglicher Christen selbs die blosse schrifft vnd lautter gottis wortt für sich nehme. Darumb hyneyn, hyneyn, lieber Christen, vnd last meyn und aller lerer außlegen nur eyn gerust seyn zum rechten bew, das wyr das blosse, lautter gottis wort selber fassen, schmecken vnnd da bleyben; denn da wonet gott alleyn ynn Zion. Amen. (M. Luther, WA 10,I..1; 728, 9 ff.)“

Darum, wer wissen will was Reformation ist ^ oder, warum aus dieser Wurzel unsere Zeit“herausgewachsen ist, muß dieses Werk studieren. •

Dem Verfasser ist es gelungen, durch die Zusammenstellung der reichen Beigaben, wie Vorreden, Zusätze der letzten lutherischen Revision des Jahres 1546, Glossar der Zeit, Worterklärungen, Erläuterungen der Illustrationen usw. den Eingang zu dieser maßgebenden Grundlage der Neuzeit allen Interessierten zu eröffnen.

„DIE GANTZE HEILIGE SCHRIFFT D. ' MARTIN LUTHER: D.EUDSCH! WITTENBERG 1545.“ . Herausgegeben von Hans Volz unter Mitarbeit von Heinz Blanke, Textredaktion Friedrich Kur; Verlag Rogner & Bernhard, München 1973; 2516 Seiten, Preis DM 65.—.

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